Felix Mendelssohn Bartholdy

«Meeresstille und glückliche Fahrt» Ouvertüre op. 27

Dauer

12 Min.

Felix Mendelssohn Bartholdy war einer der ersten Komponisten, die aus dem Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts hervorgingen. Hoch begabt und frühzeitig mit den ausreichend vorhandenen Mitteln der Familie gefördert, konnte sich der junge Felix voll entfalten. Bei Lehrern wie Carl Friedrich Zelter erlernte Felix Musiktheorie und –geschichte, der Clementi-Schüler Ludwig Berger brachte ihm die Kunst des Klavierspiels in allen Facetten bei. Bei den «Sonntagsmusiken», Konzertveranstaltungen im privaten Kreis, probierte der von Anfang an auf die Musik fokussierte Wunderknabe seine neuen Kom­positionen aus und erarbeitete sich derart sein Hand­werks­zeug.

Mendelssohns Musik haftet das Attribut des «Klassizismus» an. Der jugendliche Esprit und die Verspieltheit seiner Musik – als Beispiel sei hier die Eröffnung seiner «italienischen» Symphonie angeführt – legen den Verdacht nahe, einen geistigen Enkel Mozarts und Haydns vor sich zu haben. Wahr ist aber vielmehr, dass Mendelssohn durch und durch Romantiker war und sich nicht annähernd so stark von anderen Komponisten seiner Generation unterscheidet, wie man vermuten möchte. Das klingende Selbstbildnis, das den Blick auf eine vom Verlangen zerrissene Seele freigibt, war aber nie das Mittel seiner Wahl. Bildlich gesprochen, nahm er in jungen Jahren einen aufgeklärten Anlauf und setzte schon bald zu einem lebensbejahenden, freudig in die Zukunft blickenden Sprung an. In der Momentaufnahme dieses Sprungs zwischen Gestern und Morgen – mitten im Flug quasi – lässt sich im Großen und Ganzen die Kunstauffassung des Komponisten skizzieren.

Die beinahe fotografische Darstellung des unbeweglichen Schiffes und das allmähliche Auffrischen des Windes ist ein eindrucksvolles Beispiel einer musikalischen Naturbeschreibung. Mit der Ouvertüre «Meeresstille und glückliche Fahrt» schuf Mendelssohn den Prototyp der «Meeres»-Musik im 19. Jahr­hundert. Auch Richard Wagner griff in seiner Ouvertüre zu «Der fliegende Holländer» auf Details aus Mendelssohns Werk zurück.

Ob und wie viel Programmatisches in den Konzert­ouver­türen Mendelssohns liegt, mag einigen Diskussionsstoff abgeben. Im Fall von «Meeresstille und glückliche Fahrt» handelt es sich jedoch eindeutig um eine Komposition nach einer literarischen Vorlage. Ausgangspunkt war ein Doppelgedicht von Johann Wolfgang von Goethe, das bereits schon Schubert und Beethoven zu Kompositionen inspiriert hatte.

Anhand der beiden Gedichte lässt sich mühelos der Weg der Musik verfolgen: Die drückende Stille und die Reglosigkeit auf dem Wasser werden bereits in den ersten Akkorden ausgedrückt. Vor dem Hintergrund des Innehaltens der Natur blitzen Momente der menschlichen Hoffnung auf, der Wind möge doch endlich das Schiff antreiben. Doch die Einleitung verharrt in ihrer statischen Grundstimmung und scheint die Zeit ins Unendliche auszudehnen.

Durch die solistischen Flötentriolen angedeutet, hebt sich nun leise der Wind. Mendelssohn unterstützt die bewegte Luft durch den verstärkten Einsatz der Bläser. Die folgenden überleitenden Takte spannen eine Feder, die rasch das fröhliche D-Dur-Thema freisetzen und eine Gesamtbewegung in Gang setzen, die sowohl das große Schiff als auch die darauf befindlichen Menschen antreibt. Spannung erzeugen auch das punktierte Motiv und Synkopen, die in krassem Gegensatz zum Phlegma der Einleitung stehen. Die Durchführung verarbeitet das punktierte Thema in vielfältiger Weise und greift schließlich wieder auf den statischen Anfang des Werks zurück. Eine festliche Fanfare signalisiert die Ankunft des Schiffes im Hafen – die letzten drei Akkorde aber gehören wieder dem Meer und dem Wind. In der Romantik steht die Natur eben über allem.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore

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