George Enescu

«Pastorale-Fantaisie» für kleines Orchester

Dauer

10 Min.

Entstehung

1898/99

Zumeist denkt man bei seinem Namen an die geniale «Rumänische Rhapsodie» Nr. 1, dann vielleicht an den legendär-virtuosen Geiger. Nach und nach bemerkt man aber doch, dass es sich bei George Enescu um einen der wichtigen europäischen Komponisten am Aufbruch von der Romantik in die Moderne des 20. Jahrhunderts handelte. Mit seinen Symphonien und weiteren Orchesterwerken, seiner Kammer- und Vokalmusik, nicht zuletzt mit seiner abendfüllenden Oper «Odipe» - sie erlebte Inszenierungen an der Wiener Staatsoper und bei den Salzburger Festspielen - leistete er großartige Beiträge zu verschiedensten Gattungen, die ihn zu Recht als den auch in der internationalen Wahrnehmung bedeutendsten musikalischen Vertreter seines Heimatlandes erscheinen lassen.

Geboren am 19. August 1881 im rumänisch-moldawischen Liveni Vîrnav, spielte George Enescu bereits mit vier Jahren Violine und unternahm mit fünf Jahren erste Kompositionsversuche. Mit Sieben kam er nach Wien, wo er von 1888 bis 1894 bei so prominenten Lehrmeistern wie Josef Hellmesberger jun. und Robert Fuchs studierte. Anschließend ging er nach Paris, wo Jules Massenet und Gabriel Fauré zu seinen Lehrern zählten.

In der Folge blieben Paris und Rumänien seine Lebens- und Arbeitszentren. Enescu begann eine Laufbahn als Dirigent, spielte in mehreren, bald herausragenden Kammermusikformationen und gründete verschiedene Musikinstitutionen wie den rumänischen Komponistenverband. Legendär sind die unter seiner Leitung erfolgte erste rumänische Aufführung von Ludwig van Beethovens neunter Symphonie 1914, 90 Jahre nach der Wiener Uraufführung, die Eröffnung der Bukarester Nationaloper 1921 mit Richard Wagners «Lohengrin» und die rumänische Erstaufführung der siebenten Symphonie von Dmitri Schostakowitsch 1944. Erhalten sind zahlreiche Aufnahmen Enescus als Geiger wie als Dirigent, die uns ein akustisches Bild seiner großartigen künstlerischen Darbietungen vermitteln. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Enescu vor allem in Rumänien, wo er sich weiter um ein aufrechtes Musikleben bemühte. Nach einer Tournee in die USA im Herbst 1946 ließ er sich aus Abneigung gegen das mittlerweile in Rumänien herrschende kommunistische Regime ständig in Frankreich nieder, wo er am 1. Mai 1955 in Paris verstarb.

Die zehnminütige «Pastorale-Fantaisie» ist ein Werk des 17-jährigen Komponisten und enthält noch keineswegs alle Anzeichen seiner späteren Stilelemente, bezeugt sehr wohl aber seine frühe technische Souveränität. Sie steht am Ende seiner Lehrjahre und entstand als unmittelbare Folge der gefeierten Pariser Uraufführung seines offiziellen Opus eins, des Chor-Orchesterwerks «Poème roumain» - dem freilich schon mehrere, teils unvollendete Orchesterarbeiten vorangegangen waren. Nicht nur der Titel der Fantasie mag unmittelbar an Beethoven erinnern: Tatsächlich handelt es sich um ein Stück voll sanft fließender ländlicher Ruhe und friedvoller Stimmung, wie sie große Teile von dessen sechster Symphonie prägen.

Es mag auch kein Zufall sein, dass beide Werke in der Grundtonart F-Dur stehen. Formal findet sich ein dreiteiliger Aufbau A-B-A mit zwei kontrastierenden thematischen Grundideen - einer pastoralen und einer wohl die Zusammenballung der Unwetterfront spiegelnden - sowie einer Coda, die das Material der beiden Hauptgedanken kunstvoll miteinander verknüpft. Selbst nicht restlos überzeugt von seinem neuen Stück, gab Enescu die Partitur nicht zur Publikation frei, so dass sie schließlich vergessen und erst 2017 vom rumänischen Dirigenten Gabriel Bebesela wiederentdeckt und für aktuelle Aufführungen eingerichtet wurde.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Christian Heindl

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