Joseph Haydn

Symphonie f-Moll Hob. I:49 «La Passione»

Sätze

  • Adagio

  • Allegro di molto

  • Menuetto - Trio

  • Finale. Presto

Dauer

24 Min.

Entstehung

1768

Joseph Haydn erstaunt uns Heutige immer noch durch seine musikalische Kontinuität: eine Fähigkeit, sich über einen für jene Zeit wirklich langen Lebenszeitraum musikalisch immer weiter zu entwickeln und dabei auch noch einer ganzen musikalischen Ära seine Form zu geben, die die gesamte Musikgeschichte beeinflussen sollte. Und das alles ganz ohne Allüren und Manierismen, ohne PR-Maschinerie.

Vielleicht war es gerade Haydns Herkunft – er stammte aus sehr einfachen Verhältnissen –, sein Durchsetzungsvermögen, sein Lern- und Arbeitswillen, die ihn dazu befähigten, seine musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen, ohne sich dabei anpassen, ja, «verbiegen» zu müssen. Seine Familie hatte keine Musiker vorzuweisen; und bis auf ein wenig Volksmusik im häuslichen Kreis gab es keine künstlerischen Ambitionen. Dennoch registrierte man Josephs schöne Sopranstimme und schickte den Knaben mit ca. acht Jahren an die von Kapellmeister Georg Reutter geleitete Chorschule von St. Stephan in Wien – die übrigens einige Jahre später auch sein jüngerer Bruder Michael besuchen sollte. Ebendort wurde natürlich, neben dem üblichen allgemeinbildenden und musiktheoretischen Unterricht, besonders auf Stimmausbildung und auf Praxis im Gottesdienst Wert gelegt: der junge Haydn genoss also eine normale, keineswegs herausragende musikalische Schulung. Berühmte Lehrer hatte er keine. Aber er hatte Rüstzeug genug: ein unstillbares Interesse an Musik, stete Neugier, großen Fleiß und die Bereitschaft, sich selbst weiterzubilden.

Als Haydn in den Stimmbruch kam, um 1749/50, musste er die Chorschule verlassen, denn er war als (erfolgreicher) Sopransolist und Chorknabe unbrauchbar geworden. Mittellos stand er auf der Straße, musste sich erst Unterkunft und Arbeit suchen; und einige Jahre hindurch brachte er sich recht mühsam mit Gelegenheitsjobs und Unterrichten über die Runden. Durch einen Zufall lernte er den berühmten Hofdichter und -librettisten Pietro Metastasio kennen, und mit ihm den berühmten Komponisten und Sänger Nicola Porpora. Kurzzeitig war er dessen Begleiter am Cembalo – und erhielt auf diese Weise Zutritt zur gesamten Musikprominenz Wiens. In diese Zeit soll auch seine Beschäftigung mit musiktheoretischen Werken wie Fux’ «Gradus ad Parnassum» und mit C. P. E. Bachs «Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen» gefallen sein; und die Auseinandersetzung mit den Werken des berühmten Bach-Sohnes inspirierte ihn auch in seinen frühen Kompositionen deutlich.

Nur wenige Jahre später, um 1757, erhielt Haydn seine erste feste Anstellung beim Grafen Ferdinand Morzin in Wien und Pilsen, dessen kleine, nur etwa 16 Musiker umfassende Hauskapelle er dirigieren und mit eigenen Werken bestücken sollte. Und hier entstanden sehr wahrscheinlich auch seine ersten Symphonien und kammermusikalischen Werke, darunter auch Streichquartette.

Nachdem Graf Morzin binnen kurzem das Geld für den Luxus einer Kapelle ausging und er Haydn entlassen musste, suchte dieser sich einen anderen Dienst­herrn und fand ihn 1762 in Nikolaus Graf Esterházy in Eisenstadt. Fast dreißig Jahre lang sollte er dort die Position des Kapellmeisters bekleiden, zunächst als Vize-, ab 1766 dann als Erster Kapellmeister. Eingebunden in ein durchaus strenges Reglement des Grafen (z.B. keine Annahme von Aufträgen von außerhalb ...), aber halbwegs freie Hand beim Komponieren: dies verschaffte ihm die für ihn geeignete Basis, sich auf dem Gebiet der Instrumentalmusik zu entwickeln. – Dieser einleitende Exkurs zu Haydns Lebenslauf und Ausbildung in den ersten Lebensjahrzehnten verdeutlicht, warum es dem Komponisten gelingen konnte, gleich mehreren Gattungen einen musikhistorischen «Startschuss» zu geben: der Symphonie, dem Streichquartett und – freilich etwas im Schatten stehend – der Klaviersonate.

Während seine ersten Symphonien, entstanden im Zeitraum von etwa zehn Jahren, noch deutlich den Suchenden zeigen, der sich in eher eng gesteckten Rahmen von Formtypen bewegte, begann Haydn sich, inzwischen Erster Kapellmeister in Esterháza, zunehmend zu emanzipieren. In den Jahren zwischen ca. 1768 und 1772 vollzog seine Musik eine Wandlung, die vielfach als «Sturm-und-Drang-Periode» bezeichnet wird: Gesteigerte Empfindsamkeit und Expressivität, und eine Hinwendung zu moll-Tonarten (keine Symphonie vor 1766 steht in Moll!) charakterisieren die Symphonien jener Zeit. 

Die Symphonie f-moll Hob. I:49 für zwei Oboen, zwei Hörner, Streicher und Continuo stammt aus dem Jahr 1768. Ihr Untertitel «La Passione» ist nicht original – vermutlich stammt er aus dem 19. Jahrhundert, wo es übliche Praxis der Verleger war, Musikwerken nachträglich verkaufsfördernde Titel zu verpassen. Und zumindest in diesem Fall weckt der Titel nicht einmal falsche Assoziationen, erinnert doch der 1. Satz der Symphonie in manchen Phrasen an das Adagio aus den «Sieben letzten Worten des Erlösers am Kreuze». Viel entscheidender aber sind andere Details, die den nachträglichen Titel rechtfertigen können und darüber hinaus diese Symphonie unter anderen Werken herausragen lassen: die in damaliger Zeit bereits veraltete Anlage der sogenannten «Kirchensonate» mit der Satzfolge langsam – schnell – langsam – schnell sowie die ernste bis streng-düstere Grundstimmung der vier Sätze, die, auch noch vollkommen untypisch für eine zyklische Komposition, alle in derselben Tonart, der Tonika f-moll, stehen. (Lediglich das Menuett-Trio erklingt in der hellen Dur-Parallele.)

Warum Haydn die Symphonie so offensichtlich ernst und gewichtig angelegt hat, ist nicht bekannt. Es mag sein, dass er bei der Komposition eine außermusikalische Assoziation im Sinn hatte. Darauf könnte auch die Überschrift im Autograph, die Worte «In Nomine Domini», hindeuten. Doch letztlich muss diese Frage, mangels Beweis, offen bleiben. Der erste Satz (Adagio) wird bestimmt von einem spannungsgeladenen Adagio-Hauptthema, dessen Bogen mit großen Intervallsprün­gen, plötzlichen Synkopen und überraschenden Verzögerungen viele Verarbeitungsmöglichkeiten bietet. Im zweiten Satz (Allegro di molto) begegnen einander, mit dem Hauptthema im alten Stil und den deutlichen Anklängen an die Struktur der modernen Sonatenhauptsatzform, Alt und Neu. Während der dritte Satz, das Menuett, einen Ruhepunkt in der Symphonie bildet, zeigt das Finale (Presto) mit seinem kurzgliedrigen Thema und den vorwärtsdrängenden Bassschritten eine besondere Energie und innere Bewegung, die sich am zweiten Satz orientiert und so die Komposition abrundet.

«Passione»: die Übersetzung für Passion (Christi), aber auch für Leidenschaft. Und Expressivität, Energie, innere Spannung kennzeichnen alle Sätze und schaffen dadurch einen zyklischen Zusammenhang. Wir erfahren hier bereits jene zyklisch übergeordneten Verknüpfungen und thematisch-motivische Arbeit, die später Maßstab für alle zyklischen Werke Haydns sein sollten.

© Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft m.b.H. | Astrid Schramek

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