Dramatisch gute Stimmung
Festlicher Empfang am Feiertag: Mit erweitertem symphonischen Programmangebot kehren die Tonkünstler an ihre frühere Spielstätte zurück und werden im ausverkauften Stadttheater Baden bejubeltDie Dreizehn gilt vielen als Unglückszahl, doch an dieser Stelle steht sie für einen glücklichen Neubeginn. Denn dreizehn Jahre – genau genommen sogar etwas mehr – liegen zwischen dem vorläufig letzten und dem ersten Konzert mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich im Stadttheater Baden: Hier spielen die Musikerinnen und Musiker am 1. Jänner 2012 zwei Neujahrskonzerte, eines am Nachmittag und die Wiederholung am Abend. Am Pult steht Alfred Eschwé, die Sopranistin Simona Saturová gibt «die Unschuld vom Lande» aus der «Fledermaus» und fleht als «Rusalka» den Mond an, der Lokalpatriotismus wird mit dem Walzer «Badner Madln» von Karl Komzák gestillt, Radio Niederösterreich überträgt.
Schon am 7. März desselben Jahres 2012 ist man endgültig in den Festsaal des Congress Centers Baden gewechselt, beim Publikum besser als Casino bekannt. Die beliebten Neujahrskonzerte finden fortan im Festspielhaus St. Pölten statt. Ein regelmäßiges symphonisches Programmangebot mit den Tonkünstlern gibt es im Stadttheater Baden ohnehin seit den 1990er-Jahren nicht mehr, obwohl das Haus zu ihren ersten Spielstätten als Landessymphonieorchester Niederösterreich gehört: Am 24. Februar 1946 gestalten sie unter diesem neuen Namen ihr erstes Konzert in Baden – im Stadttheater! Seitdem ist das Orchester in Hunderten von Aufführungen an vielen Orten in der Stadt präsent. Gespielt wird im Kurpark und in der Trinkhalle, im Kur- und im Kongresshaus, in der Stadtpfarrkirche, in der Baden Arena und ab 1995 auch im Congress Center, das für 30 Jahre die fixe Spielstätte für symphonische Konzerte werden soll.
Zwei Zugaben und viel Enthusiasmus
Viele Fragen stehen vor dem Neubeginn, nicht auf alle gibt es Antworten und schnelle schon gar nicht: Wie würde das Publikum nun, dreizehn Jahre später, auf die Rückkehr der Tonkünstler ins Stadttheater reagieren? Werden die Abonnentinnen und Abonnenten mit übersiedeln oder die knapp 400 Meter schräg über den Kaiser-Franz-Ring für manche gedanklich doch zu weit sein? Lässt sich neues Publikum gewinnen? Ist die Bühne überhaupt groß genug für ein romantisches Symphonieorchester? Welche Werke aus dem Repertoire passen auch akustisch gut ins Haus, welche wären schlicht zu groß besetzt? Wie klingt eigentlich eine spätromantische Symphonie in diesem prunkvollen Theatersaal, wenn er, im besten Fall, ausverkauft und wie, wenn er halb leer ist?
Etliche Monate, ungezählte sorgen- und hoffnungsvolle Überlegungen und Gespräche, viele Sitzungen, E-Mails und Telefonate, einige Drucksachen und zweitägige Akustikproben des Orchesters später geschieht etwas, das niemand vorherzusehen vermag, aber alle sehr glücklich macht: die Musikerinnen und Musiker, weil sie mit einem Maß an Enthusiasmus willkommen geheißen und gefeiert werden, das sie nicht erwarten konnten. Die Mitarbeitenden der Bühne Baden und der Tonkünstler, weil sie die Begeisterung des Publikums und der Mitwirkenden teilen dürfen. Die Geschäftsführung über den höchst zufriedenstellenden Kartenverkauf und die künstlerische Leitung über die exklusive Farbe im Programm des Hauses und die dramatisch gute Atmosphäre dieser ersten Begegnung. Es geschieht etwas, das vor allem das Publikum glücklich macht, das sich an der Musik begeistert, am Spiel des großen Symphonieorchesters, das die Solistin bejubelt und den jungen Dirigenten – und ausnahmsweise gleich zwei Zugaben an diesem Nachmittag. Denn zum 200. Geburtstag des Jahresregenten Johann Strauss lassen die Musikerinnen und Musiker mit hörbarem Vergnügen auch diesmal den Lokalpatriotismus hochleben: mit der «Vöslauer Polka» am Konzertende.
Amira Abouzahra erobert die Herzen im Sturm
Der musikalische Einstand der Tonkünstler fällt mit dem Nationalfeiertag zusammen. Die Uhren sind gerade umgestellt, die Gebäude beflaggt, die Sonne schickt ihr schönstes Herbstlächeln. Und das Stadttheater ist für diesen Nachmittag restlos ausverkauft, seit Wochen schon. Ganze Mehrgenerationen-Familien haben sich auf den Weg gemacht, auch die Kinder sind dabei, nicht nur die großen. Die Stimmung ist besonders, man nimmt sich Zeit, kommt schon etwas früher und macht es sich bei einem Getränk gemütlich. Oder man besucht das Einführungsgespräch mit Gustav Danzinger im Max-Reinhardt-Foyer, für das schon lange vor Beginn eifrig Sessel hereingetragen werden, nicht genug allerdings, um alle Interessierten im Foyer unterzubringen – es sind schlicht zu viele. Andreas Gergen, der neue künstlerische Leiter der Bühne Baden, steht froh hinter den Sitzreihen und wird von den Hinausgehenden sogleich umringt: «Danke für dieses Angebot», heißt es und: «Super Einführungen haben sie bei den Tonkünstlern immer, das hilft uns sehr.»
Als sie mit Polonaise aus «Eugen Onegin» eingezogen sind und anschließend auch Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Violinkonzert verklungen ist, will der Beifall kein Ende nehmen. Amira Abouzahra erobert die Herzen im Sturm – gerade 19 Jahre alt, lässt sie sich gerade von Dora Schwarzberg zur Meistergeigerin ausbilden. Aus dieser Schule stammen übrigens auch Kirill Maximov, der Konzertmeister des Orchesters, und Dora Huber, die schon seit 1992 Tonkünstlerin ist. Solche Verbundenheit drückt sich auch in der ersten Zugabe aus: In Edward Elgars Liebesgruß «Salut d'Amour» wird Amira von allen Streicherinnen und Streichern des Orchesters begleitet.
«Eine so liebe Idee, diese Zugabe! Die Geigerin ist fantastisch, und ich liebe Beethoven», sagt Brunhilde Kraemmer aus Maria Enzersdorf auf die Frage, warum sie hier sei. Über viele Jahre habe sie die Tonkünstler-Konzerte im Musikverein Wien gehört, nun werde sie wieder öfter nach Baden fahren. Auch ihr Begleiter Anton Rebhan – er wohnt in Brunn am Gebirge – will wiederkommen: «Ich bin zum ersten Mal im Haus, und die Akustik ist perfekt. Ganz oben am Rang kommt alles an!»
Zum guten Schluss lässt Samuel Lee Ludwig van Beethovens zweite Symphonie anstimmen. Applaus, Applaus, Applaus auch hier, beherzt nach jedem einzelnen Satz. Manchen wird ´s zu viel, vernehmlich zischt es durch den Saal, denn mitten im Stück applaudiere man nicht, sagen jene, die es wissen. Wen es gewiss nicht stört: Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters freuen sich über den spontanen Beifall – heute ganz besonders. Und als der junge koreanische Dirigent schließlich in charmantem Deutsch die «Vöslauer Polka» als Geburtstagsständchen ankündigt, geht ein seliges Raunen durch den Saal. Diese Überraschung ist gelungen!
Auch künftig gilt: Dabei ist, wer rechtzeitig Karten erwirbt
Auf der windigen Stiege zum Hauptportal lassen anschließend Sylvia Wenzel und ihre Freundinnen aus Baden das Taxi warten, um ihre Eindrücke zu schildern. «Ich war ganz überrascht, dass die Pause schon beginnt», sagt sie, «es war so kurzweilig! Und die Zugaben waren das Tüpfelchen auf dem I!» Die drei Damen sind schon seit Langem Tonkünstler-Abonnentinnen und gern ins Stadttheater gewechselt. «Uns gefällt auch die Werkauswahl bei den Tonkünstlern, es ist nicht immer das, was überall gespielt wird, aber es sind immer gute Stücke», lobt Sylvia Wenzel.
Dem lässt sich schwerlich etwas hinzufügen außer: danke, liebes Publikum. Und: Rechtzeitiges Kartenkaufen hilft auch künftig, denn das Haus wird bei den nächsten Tonkünstler-Konzerten nicht weniger voll sein.
Ute van der Sanden
Die schönsten Fotos aus dem Stadttheater Baden
Auf einen Blick
Das Stadttheater BadenDie Geschichte der neuen Tonkünstler-Residenz, des Stadttheaters Baden, geht bis ins Jahr 1716 zurück und gehört somit zu den ältesten Theatertraditionen Niederösterreichs. Nachdem das erste Theatergebäude bereits 1775 erbaut worden war, errichtete die Firma Helmer und Fellner, die unter anderem auch viele große Wiener Spielstätten entwarf, bis 1909 das neue Stadttheater in der heutigen Form.
Auf einen Blick
Die Tonkünstler in BadenDie symphonischen Konzerte der Tonkünstler haben in der ehemaligen kaiserlichen Sommerresidenz und heutigen modernen Kurstadt ebenfalls eine lange Tradition: Als Landessymphonieorchester Niederösterreich gaben sie unter der Leitung von Alois Melichar am 24. Februar 1946 ihr erstes Konzert in Baden. Später traten sie als Niederösterreichische Tonkünstler auf. Seit 2002 konzertieren die Musikerinnen und Musiker, von denen nicht wenige auch in Baden und Umgebung wohnen, unter ihrem heutigen Orchesternamen. Seitdem waren sie in mehreren Hunderten Konzerten an vielen Orten in der Stadt präsent: Gespielt wurde im Kurpark und in der Trinkhalle, im Kur- und im Kongresshaus, in der Stadtpfarrkirche, in der Baden Arena sowie ab 1995 im Congress Center, das 30 Jahre lang die fixe Spielstätte des Orchesters für seine symphonischen Konzerte war. Bis 2012 gestaltete es im Stadttheater Baden auch die beliebten Neujahrskonzerte, die in Radio Niederösterreich übertragen wurden.
Erweitertes Konzertangebot als Willkommensgeschenk ans Publikum
Anlässlich seiner Rückkehr ins Stadttheater Baden mit der Konzertsaison 25–26 überreicht das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich seinem Publikum als Willkommensgeschenk ein erweitertes Angebot mit zunächst vier symphonischen Konzerten und einer Kostprobe aus dem moderierten Zyklus «Erklärt. Erlebt!» mit Ö1-Radiomacher Albert Hosp. Populäre Klassik, eingängige Kompositionen des romantischen Repertoires und spannende Hörproben der neueren Orchestermusik sorgen in Baden somit auch weiterhin für nachhaltige Konzerterlebnisse und hochklassige Unterhaltung. Als Gäste präsentieren die Tonkünstler – neben dem eigenen Chefdirigenten und Solistinnen und Solisten aus den Reihen des Orchesters – junge Künstlerinnen und Künstler, die am Beginn ihrer vielversprechenden Karrieren stehen.