Wiederentdeckt von den Tonkünstlern: Gisela Frankl
Werdegang einer Wiener KomponistinEine Wiener Komponistin schwingt das Tanzbein
Die Komponistin, Pädagogin und Pianistin Gisela FranklLange, viel zu lange dauert es gemeinhin, bis die an den Rand gedrängten, vermeintlich vergessenen Komponistinnen der Vergangenheit ihren gebührenden Platz im Musikleben erhalten. Eine von ihnen: Gisela Frankl. Als Tochter eines Juristen wurde sie 1860 in Wien geboren und hier als Pianistin und Komponistin ausgebildet. Schon früh zeigten sich ihre außergewöhnlichen Talente: 1880 absolvierte sie ihre Staatsprüfung im Beisein des gestrengen Kritikers und Universitätsprofessors Eduard Hanslick – mit Auszeichnung! Kurz darauf, noch als 20-Jährige, eröffnete sie eine staatlich konzessionierte Musikschule für Klavier und Harmonielehre, mit der sie sehr erfolgreich war. Geholfen haben mag dabei auch, dass sie 1881 mit einer dem Kronprinzen Rudolf gewidmeten «Hochzeits-Hymne» als Komponistin an die Öffentlichkeit trat und ihre Werke in den Folgejahren auch oft in eigenen Konzerten zum Besten gab.
Unter ihren vermutlich rund 50 verlegten, teilweise allerdings verschollenen Kompositionen findet sich auch die rund fünfminütige Polka française «Auf Flügeln des Tanzes», die in den Neujahrskonzerten mit dem Tonkünstler-Orchester im Musikverein Wien und in Niederösterreich erklingt. Im Programm dieser immerhin 23-teiligen Aufführungsserie spielt Gisela Frankl heuer quasi eine Doppelrolle: Zwar führten sie ihre Auftritte als Kammermusikerin und Liedpianistin bis nach Nordamerika, ihr weiteres Leben aber lag bislang im Dunkeln. Die frühere Tonkünstler-Cellistin Ursula Erhart-Schwertmann hat daher in ihrer erst kürzlich erschienenen Biografie «Gisela Frankl. Werdegang einer Wiener Komponistin» auch die späteren Jahre der Komponisten als Ehefrau eines dänischen Adeligen in Dänemark aufgearbeitet.
Musik von Gisela Frankl erstmals im Musikverein Wien!
In den Online-Archiven suchte man bisher vergeblich nach Aufführungen von Gisela Frankls Musik in Wien. Zwar soll die Komponistin – den Recherchen von Ursula Erhart-Schwertmann zufolge – als Pianistin an einem Konzert im Brahms-Saal sowie an einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Musikverein Wien mitgewirkt haben, im Goldenen Saal jedoch erklang nie zuvor ein Werk von ihr. Bis jetzt! Bei seinen Neujahrskonzerten im Musikverein bringt das Tonkünstler-Orchester Gisela Frankls Polka française «Auf Flügeln des Tanzes» auf die Bühne. Damit erklingt das Stück im Rahmen der Neujahrsserie der Tonkünstler und in dieser Fassung für großes Orchester insgesamt 23-mal in Wien und Niederösterreich – nicht zuletzt dank des Engagements von Alfred Eschwé, der es ins Programm der diesjährigen Neujahrskonzerte aufgenommen hat.
Bereits am 30. Dezember ist es in einer kammermusikalischen Version im Brahms-Salon in der Paniglgasse 5a in Wien zu hören. Das «Silvesterkonzert der Komponistinnen» wird von Ursula Erhart-Schwertmann geleitet und von Irene Suchy moderiert.
Für alle, die mehr erfahren wollen: Das Buch «Gisela Frankl. Werdegang einer Wiener Komponistin» von Ursula Erhart-Schwertmann ist bei allen Neujahrskonzerten der Tonkünstler im Musikverein Wien am Infotisch im Hauptfoyer des Musikvereins erhältlich.
«Gisela Frankl. Werdegang einer Wiener Komponistin»
Ursula Erhart-Schwertmann | Hollitzer Wissenschaftsverlag, Dezember 2025Gisela Frankl wurde 1860 in Wien geboren. Nach ihrer Ausbildung als Pianistin und Komponistin gründete und führte sie bereits als 20-Jährige ein Musikinstitut. Erste Öffentlichkeit als Komponistin erlangte sie 1881 mit der Kronprinz Rudolf gewidmeten «Hochzeits-Hymne». Der Band beschreibt Gisela Frankl in drei Lebensabschnitten als bemerkenswerte Persönlichkeit des kulturellen Lebens im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert: Ausbildung und Lehrtätigkeit in Wien, ein einige Jahre dauernder Amerika-Aufenthalt sowie ihr von philanthropischen Aktivitäten geprägtes Leben in Dänemark als Ehefrau eines dänischen Adeligen. Als Quellen dienten der Autorin vor allem historische Zeitungsberichte aus Österreich, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Schweden und den USA, die neben biografischen Informationen auch Einblicke in die Lebens- und Sichtweisen der damaligen Zeit gewähren. Verschiedene Publikationen, in denen sie erwähnt ist, bezeugen vor allem ihre Wiener Zeit. Darüber hinaus wird in diesem Buch auch Frankls bisher nicht dokumentierte weitere Lebensgeschichte aufgearbeitet.
Ursula Erhart-Schwertmann: Gisela Frankl. Werdegang einer Wiener Komponistin | Hollitzer Verlag, 2025, 192 Seiten, 13,8 x 21,7 cm, Deutsch, Hardcover
Über die Autorin: Ursula Erhart-Schwertmann
Ursula Erhart-Schwertmann, in Wien geboren, studierte Violoncello im Konzertfach und Musikpädagogik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Von 1987 bis 2020 war sie Cellistin im Tonkünstler-Orchester Niederösterreich.
Im früheren Tonkünstler-Kammerorchester, der heutigen Academia Allegro vivo, musizierte Ursula Erhart-Schwertmann von 1983 bis 2020, vielfach auch als Solocellistin. Über viele Jahre war sie auch organisatorisch für das Ensemble tätig. Von 1988 bis 1998 war sie Solocellistin im Amadeus Ensemble Wien, inzwischen Neue Oper Wien. Sie wirkte in weiteren Kammermusikvereinigungen mit, nahm an zahlreichen Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen teil und gab Konzerte im In- und Ausland. 1985 gründete sie das Wiener Bohème-Quartett mit, ein Ensemble für Salon- und Wiener Musik. 1994 folgte das Tonkünstler-Trio, das sich auf die stilgenaue Wiedergabe von Werken des 18. Jahrhunderts spezialisiert hat.
Seit 2011 übt Ursula Erhart-Schwertmann eine intensive solistische Konzerttätigkeit im Bereich der Zeitgenössischen Musik aus. 2014 wurde ihr für die Einspielung der CD «Neue Kammermusik aus Niederösterreich» der Kulturpreis des Landes Niederösterreich verliehen. Sie erhielt zahlreiche weitere Preise, darunter 1977 den Würdigungspreis des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung sowie 2021 und 2022 Leistungsstipendien der Jam Music Lab – Privatuniversität für Jazz und Popularmusik Wien. 2020 Jahr wurde ihr der Berufstitel der Professorin zuerkannt.
Als Musikbearbeiterin war sie in langjähriger intensiver Zusammenarbeit mit dem Verlag Doblinger tätig, seit 2018 arbeitete sie an der Johann-Strauss-Gesamtausgabe als Herausgeberin einzelner Stücke mit. Als Komponistin beschäftigt sie sich vor allem mit Solostücken und Kammermusik in verschiedensten Besetzungen und verzeichnete Erfolge bei diversen Kompositionswettbewerben. Neben ihrer musikalischen Tätigkeit widmet sich Ursula Erhart-Schwertmann auch der Malerei und setzt in Konzerten Verbindungen von Bildern und Musik um. Seit dem Sommersemester 2024 leitet sie Lehrveranstaltungen zu «Übestrategien für Streicher:innen» an der Friedrich Gulda School of Music Wien.
Seit 2019 ist die Musikerin Präsidentin der «INÖK – Interessengemeinschaft Niederösterreichische KomponistInnen», einer Plattform für Komponierende, die einen Bezug zu Niederösterreich haben bzw. ihr Schaffen in den Bezug zu Niederösterreich stellen.
ursula.erhart-schwertmann.com
Die Autorin über ihr neues Buch
Die Publikation «Gisela Frankl. Werdegang einer Wiener Komponistin» und ihre Autorin stehen im Mittelpunkt einer Präsentation am Donnerstag, 22. Jänner 2026, in der Wienbibliothek. Unter der Überschrift «Von Wien über New York nach Dänemark – die Pianistin und Komponistin Gisela Frankl im Porträt» spricht Ursula Erhart-Schwertmann mit Stefan Engl, dem Leiter der Musiksammlung der Wienbibliothek, über ihr soeben erschienenes Buch. Weiters wirken Wolfgang Straub, verantwortlich für Handschriften, Musikalien und Nachlässe, sowie Evelyn Szabo als Moderatorin und Vortragende mit. Musik von Gisela Frankl darf natürlich nicht fehlen: Claus-Christian Schuster ist am Klavier zu erleben. Die Veranstaltung in den Loos-Räumen der Wienbibliothek, Bartensteingasse 9/5, im ersten Wiener Gemeindebezirk beginnt um 18.30 Uhr.
Konzerttermine
Gisela Frankl mit dem Tonkünstler-OrchesterNeujahrskonzert
Neujahrskonzert
Neujahrskonzert
Alles Walzer
FamilienkonzertDas vergnügliche Neujahrskonzert für die ganze Familie