Archiv: Norwegische Träume

Grafenegg Wolkenturm Wolkenturm

Interpreten

  • Ivo Kahánek, Klavier
  • Jun Märkl, Dirigent

Programm

Natur in Klang gegossen. In seinen Peer Gynt-Suiten entführt Edvard Grieg in die träumerische Märchenwelt seiner Heimat Norwegen: Wälder, Fjorde, Sonnenaufgänge – und allerhand Zauberfiguren bevölkern die Partituren. Märchenhaft auch der «Nachmittag» mit Debussys Faun. Ein musikalischer Spaziergang durch Traumwelten, der durch Chopins e-Moll Klavierkonzert eingeleitet wird, interpretiert von Ivo Kahánek, der sich als Sieger des Chopin-Wettbewerbs in Marienbad einen Namen gemacht hat. Jun Märkl wird die Tonkünstler durch diesen Abend führen.

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Claude Debussy

«Prélude à l'après-midi d'un faune»

Sätze

  • Très modéré

Dauer

9 Min.

Entstehung

1892-94

Claude Debussy lernte bei einer Schülerin von Chopin Klavier, wirkte in Russland als Hauspianist von Tschaikowskis Gönnerin Nadeshda von Meck, traf nach dem Gewinn des begehrten Rom-Preises der Académie des Beaux-Arts in der italienischen Hauptstadt noch mit Verdi und Liszt zusammen, wurde nach dem Besuch der Bayreuther Festspiele und der Erlebnisse von «Tristan und Isolde» und «Parsifal» von dem damals grassierenden Wagner-Fieber erfasst – und verwischte dann als Komponist doch alle Spuren der Vergangenheit, um zu einem vollkommen neuartigen, einzigartigen Stil zu finden. Vor allem das Erlebnis fernöstlicher Musik und insbesondere der Gamelan-Orchester bei der Pariser Weltausstellung 1889 löste Debussys Neuorientierung seines Komponierens aus, das nun auf den für die asiatische Musik typischen Ganztonleitern und der Pentatonik aufbaute. Das hervorstechende Merkmal in Debussys Werken aus allen seinen Schaffensphasen ist die bis ins Letzte durchorganisierte Struktur einer scheinbar aufgelösten Klanglichkeit. Das Flirrende, Flimmernde, Verschwommene und Angedeutete – all diese Merkmale des damals aufgekommenen künstlerischen Stils des Impressionismus – ist bei Debussy nicht nur wohlkalkuliert, sondern bis ins kleinste Detail präzise berechnet und auskomponiert.

Mit dem «Prélude à l’après-midi d’un faune», dem «Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns», verwirrte Debussy 1894 in Paris den Großteil seiner Zeitgenossen. Die Komposition ist eine bewusste Abkehr von «Musik, die von geschickten Händen geschrieben ist», so Debussy, der Musik komponierte, «die in der Natur lebt. Mir sind einige Töne aus der Flöte eines ägyptischen Hirtenknaben lieber. Er gehört zur Landschaft und hört Harmonien, die die Lehrbücher ignorieren.» Auch das «Prélude» besteht in der Hauptsache aus Flötentönen, die sich traumverloren in tieferer Lage über weichen Orchesterklängen entfalten, die vor allem von der Harfe, den Holzbläsern, den gedämpften Hörnern und Celli gewoben werden. Organisch entwickeln und verdichten sich verschiedene Klangfarben, wobei nicht nur die Harmonik, sondern auch der Klang an und für sich moduliert.

Debussy ließ sich von einer Ekloge des Dichters Stéphane Mallarmé nach einem Gemälde von François Boucher zu dem Werk inspirieren, vermied es aber durch die nur andeutende Klangsprache, die literarische Vorlage in der Art einer Tondichtung abzubilden. Statt einer Schilderung der Absicht des Fauns, zwei schlafende Nymphen zu verführen, deutet Debussy mit seiner Musik ausschließlich die Stimmung mit ihren Düften, Farben und Gestalten an. «Die Musik dieses Vorspiels ist eine sehr freie Illustration des schönen Gedichtes von Mallarmé. Sie will nicht dessen Synthese sein. Es handelt sich eher um aufeinanderfolgende Dekors, durch die sich die Begierden und Träume des Fauns während der Hitze   dieses Nachmittags bewegen.» So beschrieb      Debussy in einem Text im Programmheft der Uraufführung sein «Prélude».

Ursprünglich wollte Debussy dem Vorspiel noch zwei weitere Sätze – «Interlude» und «Paraphrase final» – anfügen. Doch dann blieb das «Prélude» ein in sich abgeschlossenes, vollendetes musikalisches Kunstwerk. – Einige Jahre später bekam die Musik doch konkretere Bilder, als der Tänzer und Choreograf Vaclav Nijinskij das Werk mit den Ballets Russes umsetzte.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Frédéric Chopin

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 11

Sätze

  • Allegro maestoso

  • Romanze.Larghetto

  • Rondo. Vivace

Dauer

34 Min.

Entstehung

1830

Rund um sein 20. Lebensjahr beendete Frédéric Chopin seine Beschäftigung mit dem Orchester für immer. Sowohl die beiden Klavierkonzerte, als auch alle anderen insgesamt vier Werke für Klavier und Orchester entstanden im Wesentlichen noch während seiner Warschauer Zeit, also vor oder im Jahr 1830. Die enge Verwandtschaft zum Opernschaffen Vincenzo Bellinis ist besonders im Ersten Klavierkonzert mit seinen weit gesponnenen Themen offenbar. Bei Chopin tritt eine sinnliche Kraft hinzu, die in erster Linie den Möglichkeiten des Klaviers entspricht. Die Exklusivität dieses einen wahren Instrumentes, dem er all seine Kreativität anvertraute, ist selbst im Vergleich mit anderen, ebenso hervorragenden Pianisten seiner Zeit ungewöhnlich. Sogar der gestrenge Klavierpädagoge Carl Czerny schrieb auch rein symphonische Werke, von Franz Liszt, dem berühmtesten Klaviervirtuosen seiner Zeit, ganz zu schweigen.

Bei Chopin sollte das Orchester allein als Grundierung für pianistische Abläufe dienen, und es erfüllt genau diesen Zweck. Selbst bei Passagen, die nur aus Akkordzerlegungen oder einfach langen Läufen bestehen, bleibt das melodische Material im Klavier, während das Orchester in möglichst warmen, satten Farben den harmonischen Hintergrund bildet und in Einleitungen und Zwischenspielen den Klavierpart kontrastiert und vorbereitet. Chopin liegt damit ganz im Stil des Virtuosenkonzertes seiner Zeit. Dennoch sahen sich selbst Zeitgenossen wie die Pianisten Karl Klindworth oder Carl Tausig dazu veranlasst, dem Orchesterpart durch Retuschierungen und Umarbeitungen größeres Gewicht zu verleihen. Später griff etwa der russische Komponist Mili Balakirew in die Partitur ein, und vor einigen Jahren hat der Pianist und Dirigent Mikhail Pletnev eine sanfte Neuinstrumentierung vorgenommen. Nötig ist das offenbar nicht: Denn während alle anderen Virtuosenkonzerte des 19. Jahrhunderts, von Henri Herz, Ignaz Moscheles oder Theodor Kullak, um nur einige zu nennen, höchstens noch am Plattenmarkt in Spuren, aber gar nicht im Konzertalltag präsent sind, zählen die beiden Klavierkonzerte Chopins bis heute zu den Fixpunkten im Repertoire jedes Pianisten und aller Konzertveranstalter, unabhängig von Orchestrierungs-Details.

Das Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11 entstand von April bis August 1830, nach dem f-Moll-Konzert, wurde jedoch als erstes (1833) veröffentlicht, wodurch die umgekehrte Nummerierung zustande kam. Die traditionelle dreiteilige Anlage mit zwei schnellen Ecksätzen und einem ruhigen Mittelsatz liegt ebenso ganz im Stil der Zeit wie die damit einhergehenden Anforderungen an den Klaviervirtuosen. Die lange Orchestereinleitung bringt drei Themen: Das erste, pathetisch-strenge in e-Moll, darauf das lyrische Hauptthema, ebenfalls in e-Moll, und das zarte Seiten­thema in E-Dur. Das Klavier setzt kraftvoll, quasi improvisatorisch weit ausholend ein und wiederholt alle drei Themen. Nach außen hin scheint nun der einzige wirkliche Kontrast zwischen Haupt- und Seiten­thema die Dur-Aufhellung, doch trügt dieser Schein: das Geheimnis liegt in der linken Hand des Klaviersatzes begründet. Während nämlich zum Hauptthema leise pochende Akkorde erklingen, folgen dem Melodieverlauf des Seitenthemas weiträumige Bassfiguren. Damit erklärt sich auch der Unterschied im Charakter der Themen, die zwischen Tristesse und positivem Aufschwung pendeln. Die weitere Verarbeitung des Materials erfolgt im Wesentlichen solistisch, wobei vor allem der Variation als Gestaltungsmittel großer Platz gewährt ist. Als groß angelegtes, wunderschönes Nocturne über gedämpftem Orchesterteppich entpuppt sich schließlich der zweite Satz, zu dem sich Chopin selbst in einem Brief äußert: "Das Adagio des neuen Konzertes ist in E-Dur. Es ist eine Art Romanze, ruhig und melancholisch. Es soll den Eindruck eines liebevollen Rückblicks erwecken, eines Rückblicks auf eine Stätte, die in uns tausend süße Erinnerungen wachruft. Es ist wie eine Träumerei in einer schönen, mondbeglänzten Frühlingsnacht. Deshalb wird es mit sordinierten Geigen begleitet; das sind Geigen, die durch eine Art Kämme gedämpft werden, die, auf den Saiten angebracht, einen nasalen, silbernen Ton bewirken." Spätestens hier erübrigen sich auch alle Kritikpunkte den Orchestersatz betreffend. Das finale Rondo ruft mit scharfen Akzenten aus dem Traumland der Romanze zurück in die Welt des polnischen Volkstanzes: Im Rhythmus des Krakowiak hebt das Klavier an und reißt sogleich wieder den ganzen Satz an sich. Das Orchester leitet bald zu einem harschen Temperaments-Ausbruch nach cis-Moll über, um nach einigem beeindruckenden Passagenwerk im A-Dur-Seitenthema zu landen, das unisono wieder ganz den Volksliedgedanken aufgreift. Es ist auch genau dieses Thema, das letztlich dem Satz seine Würze verleiht. Nach dem nochmaligem, variierten Hauptgedanken folgt dem Seitenthema (diesmal in E-Dur) ein temperamentvoller Kehraus in atemberaubendem Tempo.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Edvard Grieg

Peer Gynt-Suite Nr. 2 op. 55

Sätze

  • Der Brautraub (Ingrids Klage)

  • Arabischer Tanz

  • Peer Gynts Heimkehr

  • Solvejgs Lied

Dauer

18 Min.
Edvard Grieg

Peer-Gynt-Suite Nr. 1 op. 46

Sätze

  • Morgenstimmung, Allegretto pastorale

  • Ases Tod, Andante doloroso

  • Anitras Tanz, Tempo di Mazurka

  • In der Halle des Bergkönigs

Dauer

15 Min.

Es ist eine bunte, abenteuerliche und märchenhafte Welt, in die Henrik Ibsen seine Leserschaft mit dem Drama «Peer Gynt» entführt. Zunächst als «Lesedrama» konzipiert, schildert «Peer Gynt» die Lebensgeschichte eines fantasiebegabten Bauernsohns, der der Enge seiner Herkunft zu entkommen trachtet, sich in Liebes- und Entführungsabenteuer stürzt, dann aber in die Welt zieht und in Marokko durch Sklavenhandel reich wird. Betrügereien seiner Geschäftspartner versetzen ihn bald wieder in die Armut; alt und mittellos kehrt Peer Gynt in seine Heimat zurück, wo er aber durch die Liebe seiner Jugendfreundin Solvejg, die ihm durch all die Jahre die Treue gehalten hat, aufgefangen wird.

Ibsens «Peer Gynt» erweist sich als sehr erfolgreich, und so beschließt der Dichter, das Werk als Bühnendrama auszuführen und es auch mit Musik zu versehen, was im Theater dieser Zeit durchaus üblich ist. Seine Wahl fällt auf Edvard Grieg, der sich in der Musikwelt bereits einen Namen gemacht hat, und Ibsen schlägt ihm in einem ausführlichen Brief vom 23. Jänner 1875 nicht nur vor, die Musik zu «Peer Gynt» zu komponieren, sondern hat bereits sehr genaue Vorstellungen, an welchen Stellen Musik welcher Art erklingen solle. Grieg nimmt den Vorschlag sofort an, und so entsteht eine umfangreiche Bühnenmusik von insgesamt 26 Nummern; in dieser Mischung von Theaterspiel und Musik wird «Peer Gynt» am 24. Februar 1876 in Christiania – heute Oslo – uraufgeführt.

Grieg zweifelt allerdings an der Aussicht auf eine europaweite Verbreitung des gemeinsamen Werks, und daher beschließt er 1888, einzelne Sätze aus dem dramatischen Kontext zu lösen und zu einer Orchestersuite zusammenzustellen. Mit Bedacht wählt er besonders «griffige», vom Publikum akklamierte Nummern: Auf die «Morgenstimmung», die wohl zum populärsten Werk Griegs überhaupt geworden ist, folgen «Ases Tod», «Anitras Tanz» und «In der Halle des Bergkönigs». Diese Abfolge hat mit der Position der Nummern in der ursprünglichen Schauspielmusik nichts zu tun; so erklingt etwa die «Morgenstimmung» im Drama erst im Schlussteil, der die Läuterung des alt gewordenen Peer Gynt thematisiert. Grieg lässt sich bei der Konzeption der Suite offensichtlich bloß vom Prinzip der musikalischen Dramaturgie leiten, und der Erfolg gibt ihm recht.

Die Morgenstimmung beginnt mit einer wiegenden, zart bewegten Melodie in der Flöte, die von der Oboe abgelöst wird – wir erleben einen frühen Morgen mit Vogelgesang, und in der sich steigernden Entwicklung beherrschen immer mehr Licht und Sonne das Geschehen: Die Melodie wird vom Streicherchor übernommen, die Klangintensität nimmt stetig zu. Auf die Höhepunkte im Glanz des vollen Orchesters folgt ein Abebben, das jedoch nichts Resignatives an sich hat; eher symbolisiert die wiederkehrende Flötenmelodie des Beginns ein Verharren in der Stimmung von Beglückung und Hoffnung.

In Ases Tod tritt Peer Gynt an das Sterbelager seiner Mutter Ase und versucht, sie mit fantasievollen Berichten abzulenken; die Mutter hört glücklich lächelnd zu, schläft ein und hat einen sanften Tod. Eine langgezogene, aufsteigende Melodie verkörpert die melancholische, aber nicht tragische Stimmung dieser Szene, und sehr eindrucksvoll weiß Grieg das «Hinüberdämmern» der alten Frau zu zeichnen: Die Melodie erklingt in ihrer Umkehrung; sie sinkt nun hinab und wird so zum musikalischen Gleichnis für das Verlöschen eines Lebens.

Anitras Tanz steht für eine der afrikanischen Episoden im bewegten Leben des Peer Gynt: Anitra, die schöne Tochter eines arabischen Fürsten, versucht, ihn mit einem aufreizenden Tanz zu verführen. Ein tänzerisch bewegtes Thema beherrscht mit zahlreichen Wiederholungen und Umformungen die Szene; raffinierte Klangmischungen und häufiges Pizzicato der Streicher stehen im Dienst eines «orientalischen» Kolorits, das den Verführungskünsten der schönen Tänzerin den spezifischen Reiz gibt.

Die Episode In der Halle des Bergkönigs, die Grieg an den Schluss der Suite stellt, ist als stetes, großes Crescendo angelegt. Peer gerät – in einer traumhaften Fantasie – in das Reich des «Bergkönigs» und wird von dessen Trollen gepeinigt und verfolgt. Ein markantes Marschthema erscheint zunächst leise in den Bässen, wird von anderen Instrumentengruppen übernommen und steigert sich zu wildem Taumel. Entfesselter «Lärm» mit Pauken und Becken markiert schließlich das «Zusammenkrachen» des Berges, der die Trolle unter sich begräbt – ein schaurig-fantastischer, gleichwohl wirkungsvoller Abschluss der farbenreichen Szenenfolge.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Thomas Leibnitz