Alban Berg

Sieben frühe Lieder für Gesang und Orchester

Sätze

  • Nacht (Carl Hauptmann)

  • Schilflied (Nikolaus Lenau)

  • Die Nachtigall (Theodor Storm)

  • Traumgekrönt (Rainer Maria Rilke)

  • Im Zimmer (Johannes Schlaf)

  • Liebesode (Otto Erich Hartleben)

  • Sommertage (Paul Hohenberg)

Dauer

18 Min.

Entstehung

1907

Am Beginn des 20. Jahrhunderts bildete sich um Arnold Schönberg in Wien ein Komponisten-Kreis, der als zweite Wiener Schule in die Musikgeschichte einging. Die Trias aus Schönberg und seinen beiden Schülern Anton Webern und Alban Berg bildete die Speerspitze einer musikästhetischen Bewegung, die neben der ausklingenden Romantik, dem Neoklassizismus, dem Impressionismus, später dem Expressionismus und dem kurzlebigen Futurismus zu den wichtigsten Strömungen in der Musik dieser Zeit zählte.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts fanden einige wichtige Proponenten der Neuen Musik gerade erst zusammen: 1904 wurde Alban Berg gemeinsam mit Anton Webern als Privatschüler von Schönberg aufgenommen. Eingefädelt hatte das für den jungen Alban Berg dessen älterer Bruder, der dem bereits als Vertreter der Moderne bekannten Arnold Schönberg heimlich ein paar Liedkompositionen des 19-Jährigen gezeigt hatte. Der Unterricht wurde für Alban Berg zu einer künstlerisch wie menschlich tiefgreifenden Erfahrung. Bei Schönberg, in dem Biografen auch gern einen Ersatzvater für Alban Berg sehen, lernte der junge Komponist immens viel: Es ging um die alten Meister, in deren Tradition sich Schönberg gern sah, um die Lehren und die Konsequenzen, die aus der Geschichte zu ziehen waren – vor allem aber konnte Berg seinen eigenen Stil entwickeln. Seine Musiksprache zeichnete sich durch «eine überströmende Wärme des Fühlens» aus, wie Schönberg bei Durchsicht der ersten Arbeiten meinte. Diese Eigenschaft sollte sich Berg ein Komponistenleben lang bewahren.Die sieben frühen Lieder entstanden in den Jahren 1905 bis 1908 und stehen noch ganz unter dem Eindruck des musikalischen Pluralismus dieser Jahre. Erst viele Jahre später (1928) nahm Berg die Orchestrierung seiner ursprünglich als Klavierlieder konzipierten Stücke vor, die er schon bei der Entstehung seiner späteren Ehefrau Helene Nahowski gewidmet hatte. Der Einfluss von Gustav Mahler ist in diesen, wie auch allen übrigen Liedkompositionen der zweiten Wiener Schule, deutlich spürbar. So hören wir gleich im ersten Lied «Nacht» den aus Mahlers dritter Symphonie vertrauten Ruf «O gib acht! Gib acht!», der wiederum aus einem anderen Mahler-Lied («Um Mitternacht») entnommen ist. Für die Wahl der Texte griff Berg weitgehend auf zeitgenössische Lyrik zurück, er verwendete Texte des heute fast vergessenen Paul Hohenberg, von Johannes Schlaf, Carl Hauptmann, Rainer Maria Rilke, Nikolaus Lenau, Peter Altenberg und Theodor Storm. Die Uraufführung von dreien seiner frühen Lieder («Traumgekrönt», «Liebesode» und «Die Nachtigall») am 7. November 1907 im Rahmen eines Kompositionsabends von Schönberg-Schülern wurde für Alban Berg schließlich auch sein erstes öffentliches Konzert. Die übrigen Lieder entstanden erst ein Jahr später.

Als Berg als erfahrener und gereifter Komponist Ende der 1920er-Jahre die Orchestrierung seiner Lieder vornahm, hatte er soeben seine Oper «Wozzeck» vollendet. In seiner Ausarbeitung für Orchester griff Berg die spät- und postromantische Epoche Mahlers wieder auf und versah jedes seiner Lieder mit einem eigenen Instrumentalcharakter: «Die Nachtigall», das dritte Lied, ist gänzlich den Streichern vorbehalten, und das fünfte, «Im Zimmer», wird von den Bläsern begleitet. Das gesamte Orchester «umfasst» den Liedzyklus am Anfang und am Ende («Nacht» und «Sommertage»), in reduzierter Besetzung erklingt das Orchester im zweiten und sechsten Lied, «Schilflied» und «Liebesode».

Mit großer Sicherheit macht sich Alban Berg die klangliche Vielfalt der Tonleiter zunutze. Für uns Zuhörer nur schwer greifbar vollzieht er eine allmähliche Entfernung vom Prinzip der Tonalität und bleibt dabei gleichzeitig der Musiktradition treu ergeben. So sind in den sieben Liedern neben den Einflüssen Mahlers auch Anklänge an Claude  Debussy, Hugo Wolf, Richard Wagner und Richard Strauss zu spüren. In den sieben frühen Liedern verbindet sich die romantische Tonsprache des jungen Kompositionsschülers der frühen 1900er-Jahre mit der Kunst des erfahrenen Klangmalers zu einer faszinierenden Melange. Die ausdrucksstarken Lieder präsentieren sich in einem unschuldig-kontemplativen Ton; die Musik ist frei von großen Allüren und geht Hand in Hand mit den kurzen Gedichten, die durchwegs der spätromantischen Hingabe zur Natur verpflichtet sind. Der Zyklus der sieben frühen Lieder Alban Bergs zählt zweifelsohne zu den schönsten Beiträgen zur Gattung der Orchesterlieder und verhilft wegen der nur spärlichen Aufführungen leider nur selten dazu, den feinfühligen Komponisten abseits seiner häufig gespielten Werke besser kennenzulernen. Am 6. November 1928 dirigierte Robert Heger im großen Saal des Wiener Musikvereins die Uraufführung der orchestrierten sieben frühen Lieder von Alban Berg, gesungen von Claire Born.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

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