Robert Schumann

Ouvertüre zum dramatischen Gedicht «Manfred» op. 115

Dauer

11 Min.

Die Komposition der «Manfred»-Musik fällt in eine schöpferisch äußerst aktive Phase Schumanns, die die Jahre von 1846 bis 1849 umfasste: Obwohl er erneut große Schicksalsschläge hinnehmen musste – 1847 starb sein erstgeborener Sohn Emil mit nur 16 Monaten, und im selben Jahr verlor er auch noch seinen Freund Felix Mendelssohn Bartholdy sowie dessen Schwester Fanny – konzentrierte er sich umso mehr auf das Komponieren. Clara schrieb dazu: «Der Gedanke, dass ihm ein gleiches Ende bevorstehe, ließ ihn seitdem nicht mehr los ...». In rascher Folge entstanden die Oper «Genoveva», die «Manfred»-Ouvertüre, Kammermusik und zwei Klavierzyklen, Lieder, und er schloss, nach zehnjähriger Arbeit daran, die «Faust-Szenen» ab. Liest man den Inhalt des Poems, so wird verständlich, wie sehr dessen Morbidität den psychisch labilen Schumann fesseln musste: geht es doch darin um magische Praktiken, Geisterbeschwörung – also letztlich um Flucht aus einer unangenehmen Realität. (Schumann selbst interessierte sich zu jener Zeit bereits sehr für Geisterkontakte über Medien oder das Hexenbrett.)

Die Titelfigur des aus drei Bildern bestehenden Gedichts, Manfred, sieht sich von einem Fluch verfolgt: Weder würde er jemals mehr Gefühle entwickeln, noch würde er Ruhe finden und sterben können. Ursache für diesen von Geistern ausgesprochenen Fluch ist seine verbotene Liebe zu einer Frau, deren Reinheit er befleckt und sie so ins Unglück gestürzt hat. Er ist dem Okkultismus zugewandt, und in seinen fiebrigen magischen Praktiken beschwört er, von Schuldgefühlen geplagt, immer wieder Geistwesen, die ihm abwechselnd Gnade und ewigen Hass vorspiegeln – bis ihm der Geist der toten Geliebten erscheint, die ihm sein baldiges irdisches Ende verspricht. Ohne die Trös­tungen der Kirche, die er zurückweist, stirbt er schließlich allein. Im Vordergrund der Schumannschen Komposition steht das Wortgedicht – doch obwohl die Musik im wesentlichen als textliche Stütze fungiert, also nicht frei agiert, ist es Schumann ge­lungen, die musikalische Untermalung so zu verdichten, dass sie, gemäß seiner eigenen Ästhetik, die Kraft des poetischen Textes und damit die Charakterisierung der Titelfigur noch mehr hervorhebt: das frühe Zeugnis eines Gesamtkunstwerks. Die Ouvertüre nimmt Stimmung und Geschehen bereits vorweg: sie spiegelt die psychische Zerrissenheit des Manfred, die schaurig-düstere Atmosphäre und den daraus erwachsenen dramatischen Handlungsverlauf wider.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Astrid Schramek

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