Archiv: Mozart & Rachmaninow

Grafenegg Auditorium Auditorium

Interpreten

  • Elena Bashkirova, Klavier
  • Robert Trevino, Dirigent

Programm

Auch für sein drittes Gastdirigat bei den Tonkünstlern hat sich Robert Trevino Großes vorgenommen: Nach der «Romantischen» von Anton Bruckner lässt er nun die dritte Symphonie von Sergej Rachmaninow auflegen – eine Rarität auf den Spielplänen! Mit der Uraufführung des dreisätzigen, düster getönten Alterswerkes 1936 in Philadelphia hatte der Komponist wenig Glück. Anders erging es Wolfgang Amadeus Mozart mit seinem bezaubernden C-Dur-Klavierkonzert KV 415: Als er es am 23. März 1783 bei seiner ersten eigenen Akademie im alten Wiener Burgtheater vorstellte, öffneten sich ihm die Herzen – und viele weitere Türen in Wien. Warum, illustriert die Pianistin Elena Bashkirova.

Aufgrund der geltenden Verordnungen zur Covid-19-Prävention sind auch unsere Konzertprogramme Änderungen unterworfen. Die für den Abend «MOZART & Bruckner» ursprünglich vorgesehenen Werke – das Konzert für Klavier und Orchester G-Dur KV 453 von Wolfgang Amadeus Mozart und Anton Bruckners Symphonie Nr. 3 – werden durch oben stehende ersetzt.

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Wolfgang Amadeus Mozart

Konzert für Klavier und Orchester C-Dur KV 415

Sätze

  • Allegro

  • Andante

  • Rondeau. Allegro – Adagio – Allegro

Dauer

25 Min.

Entstehung

1782

«Die Concerten», setzte Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater 1782 in einem Brief auseinander, «sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht - sind sehr Brillant - angenehm in die ohren - Natürlich, ohne in das leere zu fallen - hie und da - können auch kenner allein satisfaction erhalten - doch so - daß die nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum [...] um beyfall zu erhalten muß man sachen schreiben die so verständlich sind, daß es ein fiacre nachsingen könnte, oder so unverständlich - daß es ihnen, eben weil es kein vernünftiger Mensch verstehen kann, gerade deswegen gefällt.» Die angesprochenen Werke sind die drei Klavierkonzerte KV 413, 414 und 415. Entstanden für den eigenen solistischen Gebrauch im «Clavierland» Wien, verraten sie einen neuen, planvoll durchdachten Umgang mit der Gattung.

Das Konzert C-Dur KV 415 ist das prunkvollste dieser Trias und verlangt, ganz im Einklang mit dem festlichen Marschcharakter des ersten Satzes, Allegro, auch Pauken und Trompeten. Der vielgliedrige orchestrale Aufzug des Beginns, der sich aus dem Piano der ersten Geigen allein ins Tutti steigert und vorübergehend sogar nochmals in Pianissimo zurückfällt, bevor endlich der Solist auf den Plan tritt, spricht eine unverkennbare Sprache. Für heutige Ohren klingt dabei die Mitwirkung von Pauken und Trompeten so, als sei sie unbedingt von vornherein geplant gewesen, ja als wäre diese Musik ohne ihre herrschaftlichen Akzente gar nicht denkbar. Dabei arbeitete Mozart sie erst nachträglich in die Partitur ein, als sich allerhöchster Besuch für seine Akademie am 23. März 1783 im Theater nächst der Burg, dem sogenannten Alten Wiener Burgtheater, angesagt hatte: Kaiser Joseph II. Stolz schrieb der Komponist seinem Vater: «das theater hätte ohnmöglich völler seyn können, und alle logen waren besezt. - das liebste aber war mir, daß seine Mayestätt der kayser auch zugegen war, und wie vergnügt er war, und was für lauten beyfall er mir gegeben; - es ist schon bey ihm gewöhnlich daß er das geld bevor er ins theater kommt, zur Cassa schickt, sonst hätte ich mir mit allem recht mehr versprechen dürfen, denn seine zufriedenheit war ohne gränzen.»

Diese Zufriedenheit, überhaupt die Erwartungen des Publikums, sie werden zu Mozarts Spielball in dieser Partitur: Wie er die Vorfreuden belohnt oder bewusst nicht belohnt, also das Erhoffte hinauszögert oder durch Überraschungen ersetzt, bevor er doch wieder die «satisfaction» gewährt, das macht den enormen Reiz dieses Konzerts aus, das seinen offiziellen Festtagscharakter und intimen, kammermusikalischen Tonfall auf wundersame Weise ausbalanciert. Die Gefühlstiefe des Andante scheint sodann vom neckischen Humor des Rondeaus, Allegro, plötzlich zur Seite gerückt - wären da nicht die zwei c-Moll-Einschübe, die geradezu nach einer wehmütigen Opernarie klingen. Ungewöhnlich ist, dass Mozart diese Klänge ursprünglich für den Mittelsatz vorgesehen, aber dann dort auf sie verzichtet hatte. Statt eines triumphalen Schlusses freilich stiehlt sich dieses Finale auf Zehenspitzen davon.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Walter Weidringer

Sergej Rachmaninow

Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 44

Sätze

  • Lento – Allegro moderato – Allegro

  • Adagio ma non troppo – Allegro vivace

  • Allegro – Allegro vivace – Allegro (Tempo primo) – Allegretto – Allegro vivace

Dauer

42 Min.

Entstehung

1935/36

Sergej Rachmaninow, der gefeierte Pianist und populäre Komponist von Klaviermusik, beschloss sein kompositorisches Schaffen mit zwei reinen Orchesterwerken: der Symphonie Nr. 3 a-moll op. 44 und den Symphonischen Tänzen op. 45. In beiden Werken fällt in der Klanggebung eine Neuorientierung hin zu schärferen Kontrasten und in der thematischen Gestaltung hin zu knapperen Formulierungen auf. Im Sommer 1935, in seinem europäischen Domizil am Vierwaldstättersee in der Schweiz, wo er sich gerne von seinen anstrengenden Tourneen als Pianist und Dirigent erholte, entschloss sich Rachmaninow, fast drei Jahrzehnte nach seiner zweiten Symphonie, noch einmal eine Symphonie zu komponieren. In zwei Monaten entwarf er den ersten und den zweiten Satz der Symphonie Nr. 3, im darauffolgenden Sommer vollendete er den dritten Satz und die Symphonie, die noch im Herbst desselben Jahres vom Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Leopold Stokowski uraufgeführt und bald von an­deren amerikanischen Spitzenorchestern (New York Philharmonic und Chicago Symphony Orchestra) nachgespielt wurde.

Rachmaninow konnte sich nicht verleugnen und verlieh auch in der dritten Symphonie seinem ausgeprägten melodischen Denken und Fühlen Ausdruck, baute die für ihn typischen Steigerungen auf und gab sich kantabel-schwärmerischen, liedhaften Melodien hin. Aber es wirkt in dieser letzten Symphonie aus seiner Feder vieles nur mehr angerissen, jedoch nicht in den vertrauten Bahnen zu Ende geführt. Viele thematische Entwicklungen der Symphonie nehmen überraschende Verläufe in offene harmonische Regionen und werden durch eine Fülle von rhythmischen Unregelmäßigkeiten, metrischen Wechseln, klanglichen Schärfen und kurzen polytonalen Schichtungen gebrochen oder zumindest verfremdet. Höhepunkt dieser Tendenz ist eine zur Dissonanz führende Auftürmung mehrerer Akkord- und Klangfelder im Mittelpunkt des ersten Satzes.

Sowohl die Form als auch die thematische Verarbeitung der 3. Symphonie ist gegenüber den epischen früheren Werken verknappt. Rachmaninow sagt nur mehr das Wesentliche – aber immer noch in seiner unverwechselbaren Sprache, die vielen Mitte der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts und inmitten der musikalischen Moderne rückständig und anachronistisch erscheinen musste. Rachmaninow blieb sich jedoch auch in seinem Spätwerk treu, komponierte nicht an seinen Gefühlen vorbei, konstruierte keine andere Tonsprache. Der Russe, der seit 20 Jahren seine Heimat nicht mehr gesehen hatte (und auch bis zu seinem Tod nicht mehr sehen sollte), bewahrte seine Authentizität als Erbe der großen russischen Symphonik, wie sie in Tschaikowski ihren Höhepunkt erlebt hatte.

Der Grundgestus der Symphonie ist romantisch, ihre konzentrierte Anlage klassizistisch – ihre Klangsprache hingegen durchaus modern und auf der Höhe der Zeit. Mit reizvollen instrumentalen Kombinationen und einer originellen Verwen­dung etwa von Xylophon, Celesta oder Bassklarinette sorgt Rachmaninow immer wieder für überraschende Kontraste zu den vollmundigen melodischen Abschnitten. In brillant glitzernden Höhepunkten und wild aufrauschenden, kurzen Steigerungswellen beweist der Russe auch in dieser Symphonie seine grandiose Kunst der Orchesterbehandlung und Instrumentierung.

Es wohnt dem Werk, wie ihren Vorgängerinnen und wie auch den Klavierkonzerten, ein Programm inne, das sich schon in den ersten Lento-Takten des ersten Satzes mit einem ganz leisen, persönlichen Motto ankündigt: eine nur vom Solocello, dem ersten Horn und der Soloklarinette im Pianissimo und Unisono in Sekundschritten verlaufende, schlichte Tonfolge, die an entscheidenden Punkten der Symphonie –  in tragischer klanglicher und harmonischer Verdichtung am Ende der Durchführung des ersten Satzes, als trauriges Hornsolo zu Beginn des zweiten Satzes und noch einmal ganz wuchtig und dunkel im Zentrum des Finalsatzes – wiederkehrt und darüber hinaus auch in anderen Themen veranlagt ist. Der Kopfsatz versucht im Allegro-Teil immer wieder zuversichtlich und vorwärtsdrängend zu sein, wird dann aber entweder von dem schwärmerisch ausgesungenen Seitenthema (in der Reprise von Solovioline und Solocello) oder von irritierenden Zwischenspielen gebremst. Rachmaninow will, aber kann nicht heiter sein, auch nicht im hell und optimistisch in C-Dur einsetzenden und von einer dynamischen Themenfigur angetriebenen Final­satz. Bald folgt ein nicht mehr ganz unbeschwerter Marsch, ehe die Dynamik im breiten Strom des Seitenthemas versiegt. Später – nach dem massiven Einschnitt mit dem Grundmotiv der Symphonie – probiert es das Hauptthema des Finalsatzes sogar mit einem ambitionierten Fugato, die zuversichtliche Vorwärtsbewegung aufrecht zu erhalten und noch anzukurbeln, landet aber in einem eher zerklüfteten motivischen, rhythmischen und harmonischen Gelände. Noch einmal Marsch-Rhythmen, gefolgt von dunklen Klarinettenstimmen und einem vom Tamburin angetriebenen Furioso des ganzen Orchesters, noch eine letzte breite Cantabile-Passage zum Schwärmen ... dann macht Rachmaninow mit einem wirbelnden Allegro vivace kurz, bündig und effektvoll Schluss mit seiner letzten Symphonie.

Im Mittelsatz verband Rachmaninow, wie schon im 2. und 3. Klavierkonzert, die Charaktere von langsamem Satz und Scherzo. Das so traurig vom Horn über Harfen-Arpeggien eingeleitete Adagio dominiert dann eine liedhafte Melodie, die sehnsuchtsvoll von den Violinen angestimmt und von der Flöte bis hin zum Englischhorn ausgesungen wird. Kurze rhythmische Motive und angerissene Fanfaren bringen den Scherzo-Mittelteil in Schwung, der von scharfen Akzenten und einer für Rachmaninow auch typischen, diabolischen Charakteristik bestimmt ist. Unheimlich. In der von nervösen Tremolofiguren eingeleiteten Wiederkehr des Adagios steigert sich die liedhafte Melodie in den sich hoch hinaufschraubenden Violinen zu einer verzweifelten Intensität, doch gelingt zum Satzende eine Beruhigung, wenngleich das im Pizzikato der Streicher vorgetragene Grundmotiv der Symphonie aus ihrer Einleitung eine dunkle Bedeutung hat.

Nach der Uraufführung, die nicht mehr als freundlich aufgenommen wurde und bei einigen Kritikern negative Beurteilungen nach sich zog, schrieb Rachmaninow betrübt an einen Freund: «Ich prägte mir schmerzlich eine Parole ein: in mir ... wird es mehr als die 3. Symphonie nicht geben.»

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz