Archiv: Prokofjew & Schumann

Baden Congress Center Festsaal Congress Center

Interpreten

  • Amia Janicki, Violine
  • Tobias Wögerer, Dirigent

Programm

«In mir paukt und trompetet es seit einigen Tagen sehr (Trombe in C)», schrieb Robert Schumann 1845. Ergebnis war die zweite Symphonie, in der Schumann sich aus einer psychischen Krise mit Rückbesinnung auf Bach und Beethoven triumphal befreien konnte. Mit einem Triumph des Melodiösen, Zarten beginnt dagegen Sergej Prokofjews erstes Violinkonzert, ein träumerisch flirrendes, quecksilbriges Virtuosenstück, wie geschaffen für die schweizerisch-österreichische Geigerin Amia Janicki. An den Anfang stellt der in Linz geborene Jungstar Tobias Wögerer Franz Schuberts Ouvertüre zur Schauspielmusik «Die Zauberharfe»: Dramatischer Ernst und liedhafte Melodik treffen auf italienischen Opernprunk.

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Franz Schubert

Ouvertüre zum Zauberspiel mit Musik «Die Zauberharfe» D 644

Sätze

  • Andante - Allegro vivace

Dauer

9 Min.

Entstehung

1820

Franz Schuberts Schaffen für die Bühne ist nicht unbedeutend und wird von seinem überwältigenden Lied-Ouvre, seiner Kammer- und Klaviermusik und den Symphonien in den Schatten gedrängt. Wiederbelebungen seiner Opern «Fierabras» und «Alfonso und Estrella» in jüngerer Zeit brachten die außergewöhnliche dramatische Begabung Schuberts ans Licht.

Seine umfangreichste Auftragsarbeit für die Bühne, die Musik zum Zauberspiel «Die Zauberharfe», enthält eine Fülle an spannenden Melodramen, in denen Schubert die weit über herkömmliche Rezitative hinausgehenden Gesangspartien symphonisch begleitet. Für die zauberhafte Welt, die in das «historische» Ritterleben hineinwirkt, fand Schubert phantasievolle Klangbilder, in denen mitunter tatsächlich zwei Harfen mitschwingen. Er komponierte für die Theateraufführung eine Ouverture, mehrere Chöre, Romanzen und Melodrame.

Das Zauberspiel mit Musik auf einen Text von Georg von Hofmann tauchte im Jahr 1820 in die damals weithin beliebte und als «romantisch» empfundene, mittelalterliche Welt der Ritter und Troubadoure ein. Das – von der Kritik nach der Uraufführung am 19. August 1820 im Theater an der Wien negativ beurteilte – Libretto ist verloren gegangen. Der dramaturgische Verlauf ließe sich anhand der Musikstücke nachvollziehen. Die Ouverture ähnelt in den Rahmenteilen der Ouverture im italienischen Stil D-Dur, die Schubert damals im allgemeinen Rossini-Taumel komponierte. Aber der Gesamtentwurf des «Zauberharfe»-Vorspiels ist symphonischer, großräumiger und enthält motivische Vorwegnahmen aus den Bühnennummern.

Das Vorspiel ist auch als «Rosamunde»-Ouverture bekannt. Denn als Schubert die Musik zu Helmina von Chézys Schauspiel «Rosamunde, Fürstin von Zypern» schrieb, komponierte er keine eigene Ouverture. Jahrzehnte nach Schuberts Tod wurde die «Zauberharfe»-Ouverture als «Ouverture zu Rosamunde» gedruckt.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Rainer Lepuschitz

Sergej Prokofjew

Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19

Sätze

  • Andantino

  • Scherzo. Vivacissimo

  • Finale. Moderato

Dauer

23 Min.

Entstehung

1916/17

Sergej Prokofjew war ein großer Melodiker, wenn auch seine melodischen Gestalten oft weite Tonräume durchschreiten. Dadurch verstand er sich sowohl von den Melodie-Meistern der ferneren Vergangenheit als auch seiner Gegenwart deutlich abzugrenzen. In seiner Autobiografie skizziert der Komponist im Jahr 1941, also inmitten des Krieges, vier Hauptrichtungen seines Schaffens: den Neoklassizismus; die Suche nach neuen Klängen, in der Hauptsache harmonischer Natur; das motorische, virtuose Element (das er selbst damals als «minder wertvoll» ansah); und das Lyrische, die Melodie. Eine fünfte Richtung, nämlich das sogenannte «Groteske», das bis heute gern in seiner Musik gesehen wird, wollte Prokofjew selbst nicht gelten lassen: «In der Anwendung auf meine Musik möchte ich es lieber durch den Ausdruck ‹Scherzhaftigkeit› ersetzt wissen oder, wenn man will, durch die seine drei Steigerungen wiedergebenden Worte: Scherz, Lachen, Spott.» Diese stilistischen Stränge verflechten sich auf vielfältige Weise in seinem Œuvre. So finden sich auch in seinem ersten Violinkonzert neben den melodisch-lyrischen Qualitäten zahlreiche andere Stimmungen.

Im Umfeld seiner bald populären «Symphonie classique» arbeitete Prokofjew auch an seinem ersten Violinkonzert, das ursprünglich als «Concertino», also «kleines Konzert» geplant war. Eine erste Idee dazu kam ihm bereits 1915 in den Sinn: «Ich habe es später oft bedauert, dass mich andere Arbeiten daran hinderten, zu dem ‹träumerischen Anfang des Violinconcertinos› zurückzukehren. Doch allmählich wurde die Musik zum Sommer 1917 fertig, das Concertino hatte sich zum Konzert ausgewachsen, und die Partitur wurde abgeschlossen.» Die spezifischen Aufgabenstellungen der Symphonie finden im Violinkonzert kaum einen Niederschlag – oder höchstens darin, dass sich die filigranen, zarten Themen des recht romantisierenden Konzerts so kräftig unterscheiden von der lichten, kaum von Mollwendungen getrübten Symphonie nach dem Modell Haydns.

Die Wirren der russischen Revolution verhinderten eine baldige Uraufführung, erst 1923 fand sich in Paris – Prokofjew war soeben in die französische Metropole übersiedelt – der Dirigent Serge Koussewitzky bereit, das Werk herauszubringen. Manch große Violinvirtuosen hingegen (wie Bronislaw Huberman) wollten sich erst nicht so recht anfreunden mit dem Stück, lehnten die Uraufführung sogar brüsk ab. Schließlich war es an dem Konzertmeister Marcel Darrieux, das Solo zu spielen. Dabei war der polnische Violinvirtuose Pawel Kochan´ski Prokofjew während der Ausarbeitung der Violinstimme beratend zur Seite gestanden, doch hatten sich die beiden inzwischen aus den Augen verloren. Wenig später entdeckten Joseph Szigeti und der junge David Oistrach das Konzert für sich: Beide blieben ihm zeitlebens treue und kundige Interpreten. Die Pariser Uraufführungskritiken waren verhalten bis ablehnend, zu altmodisch empfanden die dortigen Kritiker das neue Werk. Wie so oft revidierte die Geschichte frühe Verurteilung: Längst zählt Prokofjews erstes Violinkonzert zur virtuosen Grundausstattung großer Geigerinnen und Geiger. Anderswo, etwa in Russland, fand das Konzert schon beim ersten Kennenlernen großen Zuspruch bei Publikum und Kritik. Übrigens spielten nur drei Tage nach der Pariser Uraufführung mit Orchester in Moskau zwei junge Musiker mit Geige und Klavier das Konzert erstmals öffentlich: Nathan Milstein und Vladimir Horowitz.

Das Hauptthema des ersten Satzes (Andantino) entspinnt sich über zartem Tremolo der Violen im Pianissimo, «sognando» (träumerisch), erst verhalten, sodann weiter ausschwingend. Es wird genauso vom Solisten eingeführt wie das in großem Kontrast dazu stehende zweite Thema, welches «narrante» (erzählend) klingen soll. David Oistrach soll Prokofjew als Erläuterung dazu gesagt haben, er solle dieses Thema so spielen, als ob er jemanden von irgendetwas überzeugen müsse. Passiert das zuerst noch etwas zögerlich, zart springend, steigert sich die Solo-Violine in ihrer «Überzeugungsarbeit» in einen regelrechten Furor hinein, aus dessen Beruhigung die kurze Reprise des Hauptthemas entsteht, die den Satz beschließt: Die Flöte zaubert nun, umspielt von Harfe und Solo-Violine sowie Tremolo der Violen, langsamer als zu Beginn die zarten Lyrismen bekräftigend hin.

An zweiter Stelle folgt freilich kein langsamer Satz, sondern ein flirrendes Scherzo (Vivacissimo). «Mendelssohnismen» wurden dem Konzert nach der Uraufführung vorgeworfen – und bezieht man diese als Vorwurf gedachte Beobachtung nicht auf den Melodienreichtum der Ecksätze sondern auf den Mittelsatz, so wandelt er sich in ein großes Kompliment um, zählen doch die Scherzo-Sätze Mendelssohns zu den erstaunlichsten Schöpfungen dieser Form. Die Violine rast durch den knappen Satz, dessen formale Klarheit im Einklang mit der extrem fein ziselierten Instrumentierung steht. Zwei Mal wird der Spuk durch sich aufschaukelnde, «motorische» Themen neu beleuchtet; das scherzhafte Element, dessen «groteske» Züge Prokofjew so vehement ablehnte, blitzt hier besonders hell auf.

Der dritte Satz (Moderato) entpuppt sich als Reminiszenz an Vergangenes, als ruhige Nachschau in die Welt der ersten beiden Sätze. Immer wieder taucht auf beinahe verschmitzte Weise die Erinnerung an das zuvor Gehörte auf. Den schönsten Effekt erreicht Prokofjew mit der abschließenden Wiederkehr des Anfangsthemas des ersten Satzes (ein Kunstgriff, den er etwa auch im Finale seines ersten Klavierkonzerts anwendete), dem die Holzbläser in knappen Soloeinwürfen den nötigen Kontrast beigeben: Das «Lyrische» und das «Motorische» finden in schönster Eintracht zueinander.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Robert Schumann

Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61

Sätze

  • Sostenuto assai - Un poco più vivace - Allegro ma non troppo

  • Scherzo. Allegro vivace - Trio

  • Adagio espressivo

  • Allegro molto vivace

Dauer

38 Min.

Entstehung

1845/46

Robert Schumanns Symphonie Nr. 2 ist die Bewältigung einer schöpferischen, seelischen und gesundheitlichen Krise. Als der Komponist in einem Brief an seinen Freund Felix Mendelssohn Bartholdy im Frühherbst 1845 die Idee zu einem neuen Werk mit den Worten «In mir paukt und trompetet es seit einigen Tagen sehr (Trombe in C)» ankündigte, lag eine Zeit schwerer psychischer und physischer Probleme hinter ihm. Seine Therapie war zu­nächst: Bach. Schumann beschäftigte sich intensiv mit der Musik des Barockmeisters und betrieb viele Monate hindurch intensive Kontrapunktstudien. Ende des Jahres 1845 begann er dann mit der neuen Symphonie, die, so vertraute er es seinem späteren Bio­graphen Wasiliewski an, «gleichsam der Widerstand des Geistes» war, «der hier sichtbar influiert hat und durch den ich meinen Zustand zu bekämpfen versuchte.»

Angesichts der schwierigen Ausgangslage, unter denen Schumann die Symphonie dann endgültig im Herbst 1846 zu Papier brachte, erscheint es umso erstaunlicher, dass der Kompo­nist in ihr zu einer lichtvollen Tonsprache mit der bestimmenden «Sieges»-Tonart C-Dur fähig war und zudem die Energie aufbrachte, zu einer völlig neuen formalen und thematischen Gestaltungs­weise zu finden, die das klassische Symphonie-Modell, wie es von Beethoven so beeindruckend für die Nachgeborenen festgeschrieben war, entscheidend weiter entwickelte. In den Formabschnitten der Exposition, Durchführung, Reprise und Koda folgt Schumann nicht mehr der herkömmlichen Entwicklung und Verarbeitung eines kontrastierenden Themenbestands, sondern er macht sie zu Schauplätzen ständiger Transformationen eines Motiv-Ma­terials, das weitgehend schon in der dem Werk vorangestellten Einleitung aufgeworfen wird: Ein markantes Fanfarenmotiv in den Blech­bläsern mit aufsteigendem Quintsprung, eine Streicher-Prozes­sion aus besonnen auf- und absteigenden kleinen Intervall­schrit­ten und ein zunächst getragenes Motiv in den Holz­bläsern, das dann in verkürzter Form mit punktierten Ak­zenten direkt zum folgenden Hauptthema des Allegro-Haupt­satzes überleitet. Dem energiegeladenen Allegro-Beginn folgen ein Seitensatz und eine Schlussgruppe, aus denen Ein­lei­tungs­material herausklingt. In der so genannten Durch­führung setzen, zunächst in den Celli, seufzende Tonfolgen in abwärts führenden Halbtonschritten ein. Diese chromatische Sequenz transformiert einen Motivteil aus der Schlussgruppe. Dann führt eine große Steigerung zur Reprise und ausgeweiteten Koda, in der die Motive zunehmend miteinander verflochten und ständig kontrapunktisch verarbeitet werden – Folge von Schumanns intensiver Bach-Beschäftigung.

In dem nervös flackernden Scherzo sind zwei Trios eingebaut, erst ein in Triolen lieblich hüpfendes, dann ein choralartig feierliches, das an das Streicher-Motiv der Introduktion anknüpft und sich gleichzeitig auch schon für eine weitere Verwendung im kommenden Finale vorbereitet.

In die traumhaft schöne, nahe gehende Melodie des langsamen Satzes ließ Schumann, wohl als Erinnerung an seinen «Therapeuten» Bach, den Beginn der Triosonate aus dessen «Musi­kalischem Opfer» einfließen. Wie wichtig Schumann diese Reminiszenz ist, zeigt sich im Finale, in dem das Adagio-Thema zweimal über lange Strecken in transformierter Gestalt als Sei­tensatz ausgesponnen wird – lyrischer Kontrast zum signalhaft punktierten Hauptthema. Immer mehr wachsen dann einzelne Motivpartikel ineinander, werden verschmolzen und bereiten die Einführung eines völlig neuen Themas vor: die Melodie aus Beethovens Lied «Nimm sie denn hin, diese Lieder» aus dem Zyklus «An die ferne Geliebte» – ist eine Reverenz an das zweite große Vorbild, das auf die Gestaltung dieser Symphonie einwirkte. In diesem Zitat klingt aber auch das zweite Trio wieder an. In einem feierlichen Streicher-Choral führt dann das Beethoven-Thema hin zur Fanfare des Symphonie-Beginns, die nun endgültig den Durchbruch zum Licht bringt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz