Archiv: Richard Strauss

Wien Musikverein Großer Saal Musikverein | Großer Saal

Interpreten

  • Nikola Hillebrand, Sopran
  • Jun Märkl, Dirigent

Programm

Das Lied war die persönlichste, intimste Gattung für Richard Strauss und sollte ihn sein Leben lang begleiten: von den kompositorischen Anfängen über die Erfolge mit symphonischen Dichtungen und die großen Operntriumphe bis in die letzten Jahre. Unter der Leitung von Jun Märkl rollen die Tonkünstler der betörenden Silberstimme von Nikola Hillebrand einen roten Teppich aus, erinnern eingangs an eine Konzertouvertüre des erst 19-Jährigen und begeistern zuletzt mit den vertonten Abenteuern des mythischen, zwischen Eros und Thanatos schwankenden Liebhabers «Don Juan» sowie den humoristisch-hintergründigen Schelmenstreichen des «Till Eulenspiegel»: ein sagenhaftes Vergnügen.


Tipp: Nach dem Konzert gibt es die Möglichkeit, an der Signierstunde mit Jun Märkl im Shop des Musikverein-Foyers teilzunehmen.

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Richard Strauss

Konzertouvertüre für Orchester c-Moll

Sätze

  • Allegro

Dauer

17 Min.
Richard Strauss

«Das Rosenband» op. 36/1

Dauer

2 Min.

Entstehung

1898

Richard Strauss komponierte den größten Teil seines umfangreichen Liedschaffens als junger Mann – noch bevor er in «Salome» (1904) seinen persönlichen Musiktheaterstil und in Hugo von Hofmannsthal (mit «Elektra», 1908) dann auch jenen Dichter-Librettisten gefunden hatte, der seinen Vorstellungen, kreative Auseinandersetzungen einmal dahingestellt, in idealer Weise entsprach. Dennoch begleitete ihn das Lied ein Leben lang, sogar noch über die «Vier letzten Lieder» (1948) hinaus: Das Lied «Malven» auf einen Text von Betty Wehrli-Knobel, das erst 1982 im Nachlaß von Maria Jeritza entdeckt wurde, sollte seine letzte vollendete Komposition bleiben. Und ein so eminenter Strauss-Kenner wie Dietrich Fischer-Dieskau äußerte sogar einmal die Ansicht, daß gerade aus dem Liedschaffen «ein Bild der Persönlichkeit ihres Schöpfers zu gewinnen» sei: «Der Komponist verwirklicht sich dort auf eine intime, ja decouvrierende Weise, die uns mehr über ihn selbst erfahren läßt, als das auf der Bühne oder im Symphoniekonzert der Fall ist. Universale Bildung läßt sich ebenso herauslesen wie die Sicherheit des Auftretens in den Salons jener Zeit. Der Bajuware kann sich genauso wenig verleugnen wie der Versender geradlinigen und lausbübischen Humors. Die Lust am Experiment kommt so häufig zum Ausdruck wie die Meisterschaft virtuosen Satzes, die sozusagen mit der linken Hand in der Hosentasche erreicht wird. Und schließlich kann auch ein Quantum an Lust am Gefallen bei diesem Musiker abstoßend oder sympathisch gefunden werden. Eine ganze Versammlung von Widersprüchen also, die sich in seiner Persönlichkeit zum Reichtum vereinen.»

Das Opus 36 greife «mit Gedichten von Klopstock und Rückert und mit ‹Wunderhorn›-Liedern in die Vergangenheit zurück, und es scheint, als habe der Komponist die Gedichte nicht aus innerer Nähe zu ihrem Gehalt gewählt, sondern als habe ihn gerade das Problem der Distanz interessiert, das bewußt unternommene Experiment, wieweit ein Musiker von 1898 sich in vergangene poetische Zeitstile einfühlen, wieweit die moderne Tonsprache dem dichterischen Wort von einst gerecht werden könne», vermutet der Lied-Experte Werner Oehlmann: «Das ist das Interesse des Dramatikers, der auf der Bühne das Bild einer fernen und fremden Zeit beschwört und doch den Menschen dieser Zeit die volle Präsenz lebendiger künstlerischer Wirklichkeit zu geben hat.»

Ganz im Sinne einer solchen Einfühlung über eine historische Distanz hinweg gelungen erscheint «Das Rosenband» op. 36/1 nach Friedrich Gottlieb Klopstock, einem Dichter der Empfindsamkeit, der neben der Rationalität der Aufklärung auch die Gefühlswelt zu ihrem Recht kommen lassen wollte. Strauss kleidet die Liebenden in tonal weit voneinander entfernte Sphären, ihn in A-Dur, die Schlummernde aber in Es-Dur, die freilich nach dem Erwachen gleich in seine Welt hinübergleitet. Nach dem zu einer Arabeske ausgespannten Schlusswort «Elysium» bildet ein Violinsolo den zärtlichen Nachspann.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer

Richard Strauss

«Ständchen» op. 17/2 (Bearbeitung für Gesang und Orchester: Felix Mottl)

Dauer

3 Min.

Entstehung

1885

Richard Strauss komponierte den größten Teil seines umfangreichen Liedschaffens als junger Mann – noch bevor er mit «Salome» (1904) seinen persönlichen Musiktheaterstil und in Hugo von Hofmannsthal («Elektra», 1908) dann auch jenen Dichter-Librettisten gefunden hatte, der seinen Vorstellungen, kreative Auseinandersetzungen einmal dahingestellt, in idealer Weise entsprach. Dennoch begleitete ihn das Lied ein Leben lang, sogar noch über die einzig-artig wehmütigen «Vier letzten Lieder» (1948) hinaus: Das Lied «Malven» auf einen Text von Betty Wehrli-Knobel, das erst 1982 im Nachlass von Maria Jeritza entdeckt wurde, sollte seine letzte vollendete Komposition bleiben. Und ein so eminenter Strauss-Kenner wie Dietrich Fischer-Dieskau äußerte sogar einmal die Ansicht, dass gerade aus dem Liedschaffen «ein Bild der Persönlichkeit ihres Schöpfers zu gewinnen» sei: «Der Komponist verwirklicht sich dort auf eine intime, ja decouvrierende Weise, die uns mehr über ihn selbst erfahren läßt, als das auf der Bühne oder im Symphoniekonzert der Fall ist. Universale Bildung läßt sich ebenso herauslesen wie die Sicherheit des Auftretens in den Salons jener Zeit. Der Bajuware kann sich genauso wenig verleugnen wie der Versender geradlinigen und lausbübischen Humors. Die Lust am Experiment kommt so häufig zum Ausdruck wie die Meisterschaft virtuosen Satzes, die sozusagen mit der linken Hand in der Hosentasche erreicht wird. Und schließlich kann auch ein Quantum an Lust am Gefallen bei diesem Musiker abstoßend oder sympathisch gefunden werden. Eine ganze Versammlung von Widersprüchen also, die sich in seiner Persönlichkeit zum Reichtum vereinen.»

Solch großen Reichtum versammelt jedenfalls auch Strauss’ Opus 27, das der Komponist 1894 seiner Braut zum Hochzeitstag zugeeignet hat und aus dem gleich mehrere Lieder zu den beliebtes­ten aus seiner Feder geworden sind: Die Sopranistin Pauline de Ahna (1863 – 1950) war eine geradezu berüchtigt resolute, kapriziöse Frau, mit der Strauss freilich eine lebenslang glückliche Ehe führte und deren inspirierendem Wesen er gleich mehrere musikalische Denkmäler setzte – ein rein instrumentales etwa im Violinsolo der ironisch-autobiographischen Tondichtung «Ein Heldenleben» (1898) sowie ein szenisches in der Gestalt der Kapellmeistergattin Christine Storch in seiner heiteren Oper «Intermezzo (1924), deren Libretto er selbst nach dem Vorbild eines häuslichen Zwists schrieb.

Das «Ständchen» op. 17/2 soll Strauss selbst zwar nicht besonders geschätzt haben; mit seiner zauberhaften Lyrik ist es freilich dennoch zu einer seiner beliebtesten Schöpfungen geworden.

© Niederösterreichische Betriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer

Richard Strauss

«Muttertändelei» op. 43/2

Dauer

2 Min.

Entstehung

1899
«Muttertändelei»Seht mir doch mein schönes Kind,Mit den gold’nen Zottellöckchen,Blauen Augen, roten Bäckchen!Leutchen, habt ihr auch so eins?Leutchen, nein, ihr habt keins!

Seht mir doch mein süßes Kind,Fetter als ein fettes Schneckchen,Süßer als ein Zuckerweckchen!Leutchen, habt ihr auch so eins?Leutchen, nein, ihr habt keins!

Seht mir doch mein holdes Kind,Nicht zu mürrisch, nicht zu wählig!Immer freundlich, immer fröhlich!Leutchen, habt ihr auch so eins?Leutchen, nein, ihr habt keins!Seht mir doch mein frommes Kind!Keine bitterböse SiebenWürd’ ihr Mütterchen so lieben.Leutchen, möchtet ihr so eins?O, ihr kriegt gewiss nicht meins!

Komm’ einmal ein Kaufmann her!Hunderttausend blanke Taler,Alles Gold der Erde zahl’ er!O, er kriegt gewiss nicht meins! –Kauf' er sich woanders eins!(Gottfried August Bürger)

Im April 1897 wurde Franz, Sohn von Richard und Pauline Strauss geboren, der zusammen mit seiner Mutter den Komponisten unter anderem zur «Muttertändelei» inspirierte. Dieses ist das zweite aus den «Drei Gesängen älterer deutscher Dichter» op. 43 und entstand 1899. Der Text dazu wurde von Gottfried August Bürger, einem deutschen Philosophen und Dichter der Sturm und Drang-Zeit, verfasst. Es ist ein fröhlicher und ausgelassener Lobgesang einer Mutter auf ihr «schönes, süßes, holdes und frommes Kind».

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Eva Maria Hois

Richard Strauss

«Wiegenlied» für Gesang und Orchester op. 41/1

Dauer

5 Min.

Entstehung

1899

Richard Strauss komponierte den größten Teil seines umfangreichen Liedschaffens als junger Mann – noch bevor er mit «Salome» (1904) seinen persönlichen Musiktheaterstil und in Hugo von Hofmannsthal («Elektra», 1908) dann auch jenen Dichter-Librettisten gefunden hatte, der seinen Vorstellungen, kreative Auseinandersetzungen einmal dahingestellt, in idealer Weise entsprach. Dennoch begleitete ihn das Lied ein Leben lang, sogar noch über die einzig-artig wehmütigen «Vier letzten Lieder» (1948) hinaus: Das Lied «Malven» auf einen Text von Betty Wehrli-Knobel, das erst 1982 im Nachlass von Maria Jeritza entdeckt wurde, sollte seine letzte vollendete Komposition bleiben. Und ein so eminenter Strauss-Kenner wie Dietrich Fischer-Dieskau äußerte sogar einmal die Ansicht, dass gerade aus dem Liedschaffen «ein Bild der Persönlichkeit ihres Schöpfers zu gewinnen» sei: «Der Komponist verwirklicht sich dort auf eine intime, ja decouvrierende Weise, die uns mehr über ihn selbst erfahren läßt, als das auf der Bühne oder im Symphoniekonzert der Fall ist. Universale Bildung läßt sich ebenso herauslesen wie die Sicherheit des Auftretens in den Salons jener Zeit. Der Bajuware kann sich genauso wenig verleugnen wie der Versender geradlinigen und lausbübischen Humors. Die Lust am Experiment kommt so häufig zum Ausdruck wie die Meisterschaft virtuosen Satzes, die sozusagen mit der linken Hand in der Hosentasche erreicht wird. Und schließlich kann auch ein Quantum an Lust am Gefallen bei diesem Musiker abstoßend oder sympathisch gefunden werden. Eine ganze Versammlung von Widersprüchen also, die sich in seiner Persönlichkeit zum Reichtum vereinen.»

Solch großen Reichtum versammelt jedenfalls auch Strauss’ Opus 27, das der Komponist 1894 seiner Braut zum Hochzeitstag zugeeignet hat und aus dem gleich mehrere Lieder zu den beliebtes­ten aus seiner Feder geworden sind: Die Sopranistin Pauline de Ahna (1863 – 1950) war eine geradezu berüchtigt resolute, kapriziöse Frau, mit der Strauss freilich eine lebenslang glückliche Ehe führte und deren inspirierendem Wesen er gleich mehrere musikalische Denkmäler setzte – ein rein instrumentales etwa im Violinsolo der ironisch-autobiographischen Tondichtung «Ein Heldenleben» (1898) sowie ein szenisches in der Gestalt der Kapellmeistergattin Christine Storch in seiner heiteren Oper «Intermezzo (1924), deren Libretto er selbst nach dem Vorbild eines häuslichen Zwists schrieb.

Das gilt auch für die weit gespannte, schwebende Ruhe des «Wiegenlieds» op. 41/1, in dem «eine innige, von zarten Arpeggien getragene Melodie» (Werner Oehlmann) die Zeit aufzuheben scheint. Der Text stammt von Richard Dehmel (1863 – 1920), einem der bedeutendsten Dichter an der Wende zum 20. Jahrhundert, von dessen Werken sich zahlreiche Komponisten inspirieren ließen, darunter Max Reger, Arnold Schönberg, Anton Webern oder Kurt Weill.

© Niederösterreichische Betriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer
Richard Strauss

«Don Juan» Tondichtung op. 20

Sätze

  • Allegro molto con brio (alla breve)

Dauer

17 Min.

Entstehung

1888

Im Frühjahr 1888 begann Strauss mit der Komposition seiner dritten Tondichtung für großes Orchester, «Don Juan». Der Partitur stehen zwar Zitate aus der unvollendeten Dichtung Nikolaus Lenaus voran, doch scheint die programmatische Verbindung viel loser zu sein, als man lange dachte. Im Juni 1885 hatte er gemeinsam mit Hans von Bülow eine Aufführung von Paul Heyses Drama «Don Juans Ende» besucht – eine weitere Inspirationsquelle? Mozarts «Don Giovanni» dirigierte Strauss zwar erst 1890 zum ersten Mal, doch gekannt hat er die Oper zweifellos. Die Figur des Don Juan, des Frauenhelden, der zwar keiner Versuchung widerstehen kann, doch gleichzeitig seines Lebens überdrüssig ist und in letzter Konsequenz den Tod findet, hat den knapp 24-Jährigen an sich fasziniert. Sein «Don Juan» bildet ein eigenes Drama in den glühenden Farben des großen Symphonieorchesters eindrucksvoll ab, das der Hochbegabte mit der ihm eigenen sicheren Hand einzusetzen wusste. Im Herbst schon war das Stück fertig, und obwohl es bis zur Uraufführung am 11. November 1889 in Weimar noch über ein Jahr dauerte, änderte Strauss (angeblich) nichts mehr an seiner Partitur.

Heute glaubt man zu wissen, dass Strauss bei «Don Juan» keinem fixen, vorgegebenen Programm gefolgt ist, sondern im Laufe der Komposition sich seine programmatische Richtung aufgrund der vorgegebenen Titelfigur selbst erst entwickelt hat. Einer Handlung ist hier insofern zu folgen, als sich das Werben, der Erfolg und Misserfolg der amourösen Abenteuer in der Musik gut erkennen lassen.

Der umwerfend stürmische Beginn markiert zweifellos den Helden der Geschichte. Wild auffahrend, ein Draufgänger, wie auch jeder Dirigent gleich zu Beginn zu spüren bekommt: Sie sind nicht leicht zu bändigen, die ersten Takte des «Don Juan», der in so rasendem Tempo anhebt, als würde er mit einem Streich die komplette Damenwelt in wohlig-prickelnde Ohnmachten stürzen wollen. Das feurige Thema verbreitert sich, gewinnt an Kraft, wird ungeduldig – als es plötzlich sich träumerisch verliert und eine Solo-Violine über allem schwebt: die erste Angebetete betritt die Szene. Das Liebeswerben nimmt seinen Lauf, findet das erstrebte Ziel, und zurück bleibt Ermattung, bevor das nächste Abenteuer losgeht. Diesmal ertönt das Lied des erotischen Opfers in der Oboe. Diese Affäre beginnt ruhiger, doch bald stellt sich auch hier mit mächtigen Hornklängen ein enormes Drängen ein: Der Blechglanz verströmt die unwiderstehliche Kraft des Helden. Die Ermattung folgt auch diesmal, nur stärker. Ein weiteres Mal schwingt er sich auf, doch das Begehren wird wilder, ziellos. Erneut ergießt sich die unbändige, fast verzweifelt mobilisierte Kraft in vollmundig-üppigem Orchesterglanz, es folgt ein weiterer Aufschwung mit dem Anfangsthema – doch es führt nirgendwo mehr hin: Diese Erlahmung ist die letzte. Der einzelne Ton der Solo-Trompete wird gern als tödlicher Degenstoß interpretiert, denn jetzt verdämmert alles rasch. «Don Juan» ist in jeglicher Hinsicht am Ende. Der leise, wie absterbende Schluss vermittelt sowohl den Tod als auch die mit der Masse an Liebesabenteuern, dem ständigen Suchen, Finden, der Erschöpfung und der Wiederholung dieses Musters einhergehende Auszehrung, den Verfall des Helden.

Freilich ist diese inhaltliche Darstellung nur eine Möglichkeit, denn so sehr Strauss anderswo klare Richtschnüre hinterlassen hat, etwa im «Heldenleben» oder der «Alpensinfonie», fußen die Denkansätze bei «Don Juan» letztlich alle auf drei Textzitaten aus Lenaus «Don Juan», und diese sollten nur den Gehalt der Tondichtung erläutern, nicht aber deren detaillierten Ablauf. Und so wird, je nach Fantasie, sich jeder seine mehr oder weniger eindeutigen Gedanken machen zu diesem Glanzstück der Orchestergeschichte. Strauss’ Instrumentierungskunst machte selbst scharfe konservative Kritiker staunen, die sonst kein gutes Haar an seiner Musik ließen. Mit «Don Juan» hat er eine Tür in seine Zukunft der Orchesterbehandlung aufgestoßen, ohne die alles weitere, von «Rosenkavalier» bis «Capriccio», nicht denkbar gewesen wäre. Der Erfolg des «Don Juan» war derart, dass er in den ersten drei Jahren schon 26 Mal in Städten von Wien bis Paris, New York oder Boston aufgeführt wurde und Strauss’ internationalen Ruf über Nacht festigte.

© Grafenegg Kulturbetriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind

Richard Strauss

«Till Eulenspiegels lustige Streiche» Tondichtung op. 28

Dauer

18 Min.

«Till Eulenspiegels lustige Streiche» ist wahrscheinlich die einzige selbsterklärende symphonische Dichtung der ganzen Orchesterliteratur. Ein frecher, respektloser Geniestreich, der sich kompromisslos der lebensechten Erzählung von Tills Taten widmet. Franz Wüllner, der das Stück am 5. November 1895 in Köln uraufführte, bat Strauss schriftlich um ein Programm und erhielt via Telegramm die Antwort: «analyse mir unmöglich, aller witz in toenen ausgegeben.» So einfach war das. Und Strauss – wiewohl er sich später dann doch schriftlich zum Inhalt seiner Komposition äußerte – setzte tatsächlich ganz allein auf die Erzählkunst des Orchesters. Der Klangapparat ist beträchtlich aufgestockt und von leisestem Kichern bis hin zu zornigem Gebrüll fähig. Mit dieser instrumentalen Riesenpalette ausgestattet, macht sich Strauss an die bildhafte, mitunter handgreifliche Darstellung seines Antihelden. Selten hat ein Komponist seinen Protagonisten so liebenswürdig vorgestellt, wie es hier mit dem weltberühmten «Es war einmal...»-Thema der Fall ist. Noch während der ersten Töne der bekannten Melodie sieht man vor dem geistigen Auge, wie das Märchenbuch aufgeschlagen wird und sich der Geschichtenerzähler Strauss die Lesebrille zurechtrückt. Aber wie komponiert man einen Schelm? Indem man das Till-Thema so anlegt, dass die Hörer das Metrum und damit den rhythmischen Boden unter den Füßen verlieren: die ausgehaltene Note am Ende der ansteigenden Hornmelodie verschiebt bei jeder Wiederholung des Themas den Schwerpunkt des Taktes. So einfach, so genial. In dieser Weise verfährt Strauss mit dem Thema weiter, das uns immer wieder in gestraffter Form als Tills Gelächter (häufig von der Klarinette gespielt) begegnet und gleichzeitig auch den Formansprüchen des Rondos (oder Rondeau, wie Strauss es etwas gestelzt wohl bewusst genannt hat) genügt. Und es gibt noch viele weitere einprägsame Themen in «Till Eulenspiegel»: darunter das hohle Gerede der Philister (nüchterne Harmonien und ein Kanon als Zeichen für die endlose Diskussion), die peinliche Befragung seitens der Richter (leere, wuchtige Quinten der Holz- und Blechbläser) und die abstürzende Septime, die das Todesurteil verkündet. Gelächter, Geschrei und sprachlicher Wirrwarr sind ebenso vertont wie das letzte Röcheln des Verurteilten am Strick, das die Klarinette in höchster Lage herausfiept.

Richard Strauss erklärte seine Absichten hinter der Komposition so: «Es ist mir unmöglich, ein Programm zu Eulenspiegel zu geben: in Worte gekleidet, was ich mir bei den einzelnen Teilen gedacht habe, würde sich oft verflucht komisch ausnehmen und viel Anstoß erregen. – Wollen wir diesmal die Leutchen selber die Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk ihnen verabreicht. Um überhaupt ein Verständniß zu ermöglichen, genügt es vielleicht, auf das Programm die beiden Eulenspiegelthemen zu notieren: [Anm.: Hier fügt Strauss Notenbeispiele ein] die das Ganze in den verschiedensten Verkleidungen und Stimmungen, wie Situationen durchziehen bis zur Katastrophe, wo er aufgeknüpft wird, nach dem das Urteil: [Anm.: Notenbeispiel der abstürzenden Septime] über ihn gesprochen wurde. Die Amollepisode ist seine Promotion bei den philiströsen Professoren, ich glaube in Prag, wo Till durch seine monströsen Thesen eine förmliche babylonische Sprachenverwirrung (das sog. Fugato) anrichtet und sich, nachdem er sich weidlich darüber verlustiert hat, [...] entfernt [...]. Das aber bitte als Privatmitteilung zu betrachten: Bemerkungen in der Partitur wie ‚liebeglühend’ etc. werden sicher das unmittelbare Verständniß für die inhaltliche Bedeutung der einzelnen Episoden vervollständigen, dto. ‚kläglich’: sein Geständniß etc. etc.»

Und einige Jahre später notierte Richard Strauss dann schließlich doch in einer Studienpartitur «sein» Programm, anhand dessen man sich mühelos durch das Stück hören kann:

1.    Es war einmal ein Schalksnarr.2.    Namens «Till Eulenspiegel».3.    Das war ein arger Kobold.4.    Auf zu neuen Streichen.5.    Wartet nur ihr Duckmäuser. 6.    Hop! Zu Pferde mitten durch die Marktweiber.7.    Mit Siebenmeilenstiefeln kneift er aus.8.    In einem Mauseloch versteckt.9.    Als Pastor verkleidet trieft er von Salbung und Moral.10.    Doch aus der großen Zehe guckt der Schelm hervor.11.    Faßt ihn ob des Spottes mit der Religion doch ein heimliches Grauen vor dem Ende.12.    Till als Kavalier, zarte Höflichkeiten mit schönen Mädchen austauschend.13.    Er wirbt um sie.14.    Ein feiner Korb ist auch ein Korb.15.    Schwört Rache zu nehmen an der ganzen Menschheit.16.    Philistermotiv17.    Nachdem er den Philistern ein paar ungeheuerliche Thesen aufgestellt, überläßt er die Verblüfften ihrem Schicksal.18.    Große Grimasse von weitem.19.    Tills Gassenhauer.20.    Das Gericht.21.    Er pfeift noch gleichgültig vor sich hin!22.    Hinauf die Leiter! Da baumelt er, die Luft geht ihm aus, eine letzte Zuckung. Tills Sterbliches hat geendet.Merkwürdigerweise fehlt ein Hinweis auf den Epilog, der für die Unsterblichkeit Tills steht. «Till Eulenspiegels lustige Streiche» war ein spontaner Erfolg und wurde mehrfach wiederholt. Die Nüsse, die Strauss den «Leutchen» zu knacken aufgegeben hatte, verfehlten auch bei einer Aufführung in Paris nicht ihre Wirkung. So schrieb Claude Debussy, der eine Aufführung als Kritiker für die «Revue blanche» gehört hatte: «Dieses Stück gleicht ‚einer Stunde neuer Musik bei den Verrückten’: Die Klarinetten vollführen wahnsinnige Sturzflüge, die Trompeten sind immer verstopft, und die Hörner, ihrem ständigen Niesreiz zuvorkommend, beeilen sich, ihnen artig ‚Wohl bekomm’s!’ zuzurufen; eine große Trommel scheint mit ihrem Bum-Bum den Auftritt von Clowns zu unterstreichen. Man hat gute Lust, lauthals rauszulachen oder todtraurig loszuheulen, und man wundert sich, dass noch alles an seinem gewohnten Platz ist, denn es wäre gar nicht so verwunderlich, wenn die Kontrabässe auf ihren Bögen bliesen, die Posaunen ihre Schalltrichter mit imaginären Bögenstrichen und Herr Nikisch [Anm.: der Dirigent der Aufführung] sich auf den Knien der Platzanweiserin niederließe. Das alles sagt nichts dagegen, dass das Stück geniale Züge besitzt, vor allem eine außerordentliche Sicherheit in der Orchesterbehandlung und eine unbändige Bewegung, die uns von Anfang bis Ende mitreißt und zwingt, alle Streiche des Helden mitzuerleben. Nikisch hat ihre tumultöse Abfolge mit bewundernswerter Kaltblütigkeit dirigiert, und der Beifall, der ihm und seinem Orchester entgegenbrandete, war in höchstem Maße berechtigt.» Selten ließ sich ein Kritiker zu so plastischen Schilderungen hinreißen. Aber das scheint eben ein unzerstörbares Merkmal des «Till Eulenspiegel» zu sein – er berührt jeden.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Alexander Moore