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Interpreten

  • Wayne Marshall, Klavier, Dirigent

Programm

Iain Farrington
«A party for Auntie»
Duke Ellington
«Harlem» (Bearbeitung für Orchester: Luther Henderson und Maurice Peress)
- Pause -

George Gershwin und Leonard Bernstein sind die berühmtesten Beispiele für jene weltumspannende Verbindung von Anspruch und Unterhaltung, die typisch wurde für die US-amerikanische Musik des 20. Jahrhunderts. Beide Komponisten waren Kinder russisch-jüdischer Einwandererfamilien, beide haben die verschiedensten Einflüsse in sich aufgesogen, darunter auch Spirituals, Ragtime, Blues und Jazz, beide haben auch für Bühne und Film gearbeitet. Dazu Duke Ellington, der nur gut ein halbes Jahr jünger ist als Gershwin und den Jazz geprägt hat wie kaum ein anderer. Der 1977 geborene Brite Iain Farrington greift den Tonfall lässiger Big-Band-Vergnüglichkeit souverän auf: Zutaten für einen coolen und zugleich hitzigen Abend ganz im Zeichen von «Symphonic Jazz» mit Wayne Marshall und den vielseitigen Tonkünstlern.

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George Gershwin

Rhapsodie für Klavier und Orchester Nr. 2

Dauer

12 Min.

Bei der Uraufführung seiner Rhapsodie Nr. 2 im Jänner 1932, dirigiert von Serge Kussewitzky, trat George Gershwin auch als Solist auf und vermerkte: «In vieler Hinsicht, etwa in der Orchestrierung und in der Form, ist dies das Beste, das ich je geschrieben habe.» Zwei Jahre zuvor waren die Brüder George und Ira dem Ruf nach Hollywood gefolgt. In der Filmmusik zu «Delicious» sollte es eine längere instrumentale Passage für eine Szene geben, in der ein Einwanderer nach New York flieht und vom Gewühl der Stadt aufgenommen wird. Diese etwa achtminütige Passage wurde im Endeffekt gestrichen, bot aber die Keimzelle für die zweite Rhapsodie für Klavier und Orchester. Ursprünglich hätte sie «Manhattan Rhapsody»  oder «Rhapsody in rivets» heißen sollen; «Nieten-Rhapsodie», nach dem hämmernden Eingangsmotiv, das Maurer bei der Arbeit an einem Wolkenkratzer nachahmt. Knapp acht Jahre nach Gershwins Durchbruch mit der Rhapsody in Blue ist hier nun jede Note tatsächlich von ihm und zeigt die kluge und virtuose Beherrschung des üppigen Orchesterapparates.

Aus praktischen Gründen wurde freilich auch dieses Stück zuerst in einer Version für zwei Klaviere veröffentlicht. Fast zwei Jahrzehnte nach Gershwins frühem Tod erschien in den 1950er Jahren zum ersten Mal eine Orchesterfassung im Druck. Sie enthielt einige Veränderungen, Striche und vor allem grobe Vereinfachungen. Das originale Manuskript war lange Zeit unzugänglich. Auch im Fall von Gershwin wurde die Suche nach authentischem Klang und historischer Aufführungspraxis zu einem interessanten Thema.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Albert Hosp

Leonard Bernstein

Divertimento für Orchester

Sätze

  • «Sennets and Tuckets»

  • Waltz

  • Mazurka

  • Samba

  • «Turkey Trot»

  • «Sphinxes»

  • Blues

  • March - «The BSO Forever»

Dauer

14 Min.

Entstehung

1980

Leonard Bernstein schrieb sein Divertimento für Orchester 1980 im Auftrag des Boston Symphony Orchestra zu dessen 100-Jahr-Feier. Doch lag es keineswegs nur an Bernsteins damals längst singulärem Rang als Komponist, Dirigent und Musikvermittler der USA, sondern auch an seinen weit zurückreichenden persönlichen Beziehungen zu dieser Stadt und deren berühmtem Klangkörper, dass gerade er das Jubiläum mit einem neuen Stück feiern sollte: Bernstein war dort zur Schule gegangen und hatte ab 1940 als Schüler und Assistent von Serge Koussevitzky, der von 1924 bis 1949 Chef des Boston Symphony Orchestra gewesen war, prägende musikalische Eindrücke empfangen. Niemand konnte damals freilich ahnen, dass jener Klangkörper auch das letzte Orchester sein würde, das Bernstein würde dirigieren können: Nur zehn Jahre nach dem 100. Geburtstag des Boston Symphony Orchestra, genauer am 19. August 1990, standen Benjamin Brittens «Four Sea Interludes» aus «Peter Grimes» und Beethovens Symphonie Nr. 7 auf dem Programm, wobei Bernstein während der Symphonie einen schweren Hustenanfall erlitt. Am 14. Oktober 1990 starb er 72-jährig in New York.

«With affection to the Boston Symphony Orchestra in celebration of its First Centenary» lautet die Widmung, und die Buchstaben «BC» für «Boston Centenary» sind als musikalisches Motiv h-c (der Ton h wird im Englischen als b bezeichnet, unser b als b-flat) vielfach in die Partitur eingearbeitet – eine Partitur, die in typisch Bernstein’scher Weise kompositorische Meisterschaft mit intelligenter, mit etlichen Zitaten und Anspielungen gespickter Unterhaltung verbindet, wie es schon der Titel suggeriert und dabei zudem die einzelnen Gruppen des Orchesters in ein virtuoses Licht rückt: Die volle Besetzung erklingt nur in den Sätzen 1, 4, 5 und 8, während die übrigen spezielle Farbmischungen hervorkehren. «Sennets and Tuckets» ist der erste Satz überschrieben – eine in Shakespeares Dra-men für fanfarenartige Musik verwendete Bezeichnung, die von den italienischen Termini Sonata und Toccata herrührt.

Tatsächlich erklingen Aufmerksamkeit heischende, glänzende Fanfarenmotive, denen freilich rasch ein tänzerisches Element beigemengt wird, welches in verschiedenen stilistischen Ausformungen weite Teile des Werks beherrscht. Nur den Streichern ist der wehmütig-verträumte zweite Satz anvertraut, ein entzückender Walzer im irregulär schwebenden 7/8-Takt, bevor Oboen, Englischhorn, Fagotte und Harfe eine ausdrucksvoll schleppende Mazurka anstimmen, die mit einem Zitat aus Beethovens fünfter Symphonie garniert ist. Ausgelassener ist da schon die folgende Samba, und der witzige «Turkey Trot», ein Ragtime-Tanz vom Beginn des 20. Jahrhunderts, zählt mit seinen metrischen, dynamischen und instrumentationstechnischen Finessen zu den Perlen in Bernsteins Schaffen. «Sphinxes» gibt sich daraufhin rätselhaft: Zweimal beginnt eine Zwölftonlinie – und wird dann doch mit einer tonalen Kadenz beantwortet. Ein augenzwinkerndes Statement des Komponisten, der darauf einen lässigen Blues von Blech und Schlagzeug folgen lässt. Das Finale («In Memoriam» – March «The BSO Forever») beginnt mit einem Totengedenken in Gestalt eines ernsten Flötentrios, bevor eine Art Volksfest losbricht, das die Festfanfaren des Beginns mit zünftigen Märschen und anderen Freudenklängen vereint.

Die Uraufführung des Divertimento fand am 25. September 1980 statt, am Pult des jubilierenden Boston Symphony Orchestra stand sein damaliger Chefdirigent Seiji Ozawa, der diese Funktion von 1973 bis 2001 bekleidete und in jungen Jahren Bernsteins Assistent beim New York Philharmonic gewesen war.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer

Leonard Bernstein

«On the Waterfront» Symphonische Suite für Orchester

Dauer

22 Min.

Entstehung

1955

1954 komponierte Leonard Bernstein die Filmmusik zu «On the Waterfront», zu Deutsch «Die Faust im Nacken». Isaac Stern spielte die Uraufführung von «Serenade» in Venedig, und der einzigartige Musikvermittler Bernstein gestaltete die erste Fernsehsendung in der Reihe «Omnibus». Bernstein lehnte das Angebot des Produzenten Sam Spiegel, eine Filmmusik zu komponieren, zuerst ab. Mit Regisseur Elia Kazan, der im Kongressausschuss zu den «antiamerikanischen Umtrieben» Kollegen denunziert hatte, wollte er eigentlich nicht arbeiten. Doch die Vorführung eines Rohschnittes und insbesondere die Darstellung Marlon Brandos beeindruckten Bernstein.

Die Komposition beschäftigte ihn vier Monate lang, wobei ihn die ursprünglich mit Skepsis übernommene Aufgabe sofort überwältigte: «Ich konnte die Musik schon förmlich hören: Das gab den Ausschlag. Und die Atmosphäre der Professionalität, die dieser Film ausstrahlte, war genau die Atmosphäre, in der ich am liebsten arbeite [...] Tag für Tag saß ich an einem Schneidetisch, spulte die Filmrolle vor und zurück, maß die Länge der Sequenz, die ich für die Musik ausgesucht hatte, in Metern, rechnete die Meter mit mathematischen Gleichungen in Sekunden um und fertigte provisorische Mischpläne an.» Die Aufnahme des Soundtracks dirigierte aus vertraglichen Gründen André Previn, jedoch war Bernstein bei den Aufnahmen dabei und steuerte den Jazzpianopart im Hintergrund der Barszene bei. Es gefiel dem «New Yorker» in Hollywood aus genau jenem Grund, aus dem viele flüchteten, «nämlich weil es hier nichts zu sehen gibt, außer Menschen». Bei der Oscar-Verleihung 1954 hatte Bernstein das Nachsehen gegenüber Dimitri Tiomkin für «The High and the Mighty»; und es sollte auch seine letzte Arbeit für den Film werden. Für jede Szene, die zwischen 30 Sekunden und zweieinhalb Minuten variierte, kreierte Bernstein mit nur wenigen Takten eine eigene Atmosphäre. Besonders eindringlich und gewissermaßen zitierend verfestigt sich ein Violinmotiv, das an Benjamin Brittens «Peter Grimes» erinnert - eingebettet in die trostlose Einöde einer riesigen Reifendeponie.

Die symphonische Anlage der gesamten Filmmusik kommt in der 1955 entstandenen Orchester-Suite besonders zum Tragen. Der einstige Bernstein-Assistent und Dirigent des heutigen Konzertabends, Yutaka Sado, hält das musikalische Material der Filmmusik für ein Schlüsselwerk Bernsteins, daran erkennbar, dass scheinbar Einfaches unglaublich raffiniert gemacht ist - ähnlich seinem Schluss aus den Harvard-Vorlesungen «Musik - die offene Frage»: «Und schließlich und weil all dies wahr ist, glaube ich, dass es auf Ives' eine Antwort gibt. Ich weiß zwar nicht mehr genau, welche Frage er stellt, aber ich weiß: Die Antwort ist .»

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Ursula Magnes