Brahms & Dvorák

Maribor Narodni Dom Narodni Dom

Details und Tickets

  1. Maribor Narodni Dom Narodni Dom

Interpreten

  • Sayaka Shoji, Violine
  • Gabriel Bebeselea, Dirigent

Programm

Musik verbindet die ganze Welt: zuerst ein Violinkonzert, das Johannes Brahms, Wahlwiener aus Hamburg, auf Sommerfrische am Wörthersee geschrieben hat – und das im Finale einen Abstecher in die Puszta macht –, danach die nicht minder prachtvolle Symphonie seines böhmischen Kollegen Antonín Dvořák, der damit seinerzeit besonders in England Erfolge feiern konnte. Die Solistin Sayaka Shoji ist in Tokio geboren, in Siena aufgewachsen, hat in Köln studiert und reüssiert mittlerweile genauso auf den internationalen Podien wie der rumänische Dirigent Gabriel Bebeșelea, der auch in Wien ausgebildet wurde. Dazu die Tonkünstler – und die alle Grenzen überschreitende Harmonie ist perfekt.

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden
Johannes Brahms

Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77

Sätze

  • Allegro non troppo

  • Adagio

  • Allegro giocoso, ma non troppo vivace

Dauer

36 Min.

Entstehung

1878/79

Johannes Brahms verband sein Komponistenleben lang eine künstlerische und auch private Freundschaft mit einem der bedeutendsten Geiger des 19. Jahrhunderts, Joseph Joachim. Im burgenländischen Kittsee geboren, eroberte Joachim als Wunderkind die Konzertsäle Europas. Besonders geschätzt wurde seine Interpretation von Beethovens Violinkonzert (die auch der noch halbwüchsige Brahms hörte). Später prägte Joachim als Konzertmeister verschiedener Orchester, mit seinen Konzertauftritten als Solist und mit seinem Streichquartett, als Dirigent und als Pädagoge maßgeblich das Musikleben besonders im deutschsprachigen Raum.

Brahms und Joachim hatten einander 1853 in Hannover, wo Joachim als Leiter der Königlichen Kapelle wirkte, kennen gelernt und schlossen im Kreis um Robert Schumann eine jugendliche Künstlerfreundschaft. Der junge Brahms komponierte gemeinsam mit Schumann und Albert Dietrich die FAE-Sonate für Joseph Joachim, frei nach dessen Lebensmotto: «Frei, aber einsam». Später zog Brahms bei allen seinen kompositorischen Unternehmungen in Zusammenhang mit der Violine und mit Kammermusik Joachim zu Rate.

So ist auch das Violinkonzert D-Dur op. 77 von Brahms in direktem Zusammenhang mit Joachim zu bewerten. Schon lange war dem Freund ein Solokonzert für sein Instrument versprochen, doch der für Brahms so übermächtige Schatten des «Riesen Beethoven» fiel auch auf seine Pläne bezüglich dieses Genres. 1874, als Brahms mit seiner ersten Symphonie grandios aus diesem Schatten getreten war, begannen in ihm konkretere Pläne für ein Violinkonzert zu reifen, das er aus dem symphonischen Geist heraus konzipierte. Die viersätzige Anlage wurde allerdings wieder verworfen, als sich Brahms 1878 während des Sommeraufenthalts in Pörtschach an die endgültige Komposition des Werkes machte. Der Solopart der Violine entstand in einem angeregten brieflichen Hin und Her mit Joachim, der auf die spieltechnischen Aspekte des Werkes entscheidenden Einfluss nahm und die kompositorische Entwicklung faktisch Takt für Takt mitverfolgen und begutachten konnte. Das Werk enthält eine Fülle überaus schwieriger instrumentaler Passagen, die dem damals neuesten Stand des Violinspiels entsprechen.

Wie so oft stützte Brahms auch im Fall des Violinkonzerts die Entstehung mit Parallelwerken ab, mit denen er kompositorische Sicherheit gewann. So befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Violinkonzert die erste Violinsonate op. 78. In gleichem Maße spielte aber auch die ein Jahr zuvor in Pörtschach entstandene Symphonie Nr. 2 in derselben Tonart D-Dur eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Formung des Violinkonzerts. So ist der Kopfsatz (Allegro non troppo) aus einem der Symphonie ähnlichen fließenden Gedanken im ungeraden Dreiermetrum entwickelt, der vorwiegend lyrische Qualitäten in sich trägt und nur selten zu wuchtiger Größe anwächst. Das sanft-schwärmerische Seitenthema unterstreicht den Charakter dieses Eröffnungssatzes, der erst durch ein zackiges rhythmisches Motiv (mit Doppelgriffen für das Soloinstrument verbunden) als Schlussgedanke der Exposition geballte Energien bekommt. Doch wie in der zweiten Symphonie wachsen auch im Violinkonzert weiterhin alle Steigerungen aus einem schönen pastoralen Umfeld heraus. Bezeichnend für die entwickelnde Kompositionsweise Brahms’ ist, dass sich die Solovioline bei ihrem ersten Einsatz erst über Figurationen dem Hauptthema annähert, das sie dann in Zartheit aussingt.

Aus dem ausgebreiteten thematischen Material gewinnt Brahms in dem formal in symphonischer Großflächigkeit angelegten Satz ein bewegendes Wechselspiel aus dramatischeren Momenten und lyrischen Linien. Manchmal kommt es – wie etwa bei einer Reminiszenz an die dunkle d-Moll-Welt des ersten Klavierkonzerts – zu heftigen Ausbrüchen, die sich aber, so schnell sie gekommen sind, wieder in ruhigen Stimmungen auflösen. Die Kadenz behielt Brahms Joachim vor, dessen Version bis heute von den meisten Solisten übernommen wird. Dafür bereitet Brahms dem Solisten am Ende der Kadenz eine wunderbare Rückkehr in das orchestrale Umfeld: Im Piano kann die Solovioline über einem samtenen Streicher-Untergrund mit warmer Horn-Füllung noch einmal das Hauptthema verströmen. Ein Mirakel ist es dann auch, wie Brahms aus dieser der Zeit enthobenen Passage mit wenigen Akkorden und Skalen die Solovioline und das Orchester in einen glanzvollen Fortissimo-Ausklang des Satzes bringt.

Der zweite Satz, Adagio, hebt mit einem herzzerreißend schönen Lied der Solo-Oboe an, der bereits im Kopfsatz so manche berührende Melodie vorbehalten war. In Hinblick auf dieses Adagio-Solo ätzte der Brahms-Zeitgenosse und Violinvirtuose Pablo de Sarasate, er sehe keine Veranlassung, dieses Violinkonzert zu spielen, denn warum solle er mit der Geige in der Hand zuhören, wie die Oboe die einzige Melodie des Stückes blase. Doch mit der weiteren Entwicklung des Satzes wird Sarasate Lügen gestraft, denn Brahms lässt die Solovioline das Oboenthema mit einer Fülle herrlicher Skalen, Figurationen und Umspielungen weiterspinnen. Hier kann jeder Solist seine Fähigkeiten einer feinen Tongebung und eines innigen Ausdrucks entfalten. Die Melodik ist in einen reichhaltigen, harmonisch reizvollen kammermusikalischen Orchestersatz eingebunden.

Im Rondothema des Finalsatzes (Allegro giocoso, ma non troppo vivace) vermeint man, wie in so vielen anderen Fällen bei Brahms auch, einen ungarischen Einschlag vernehmen zu können. Eine direkte Verbindung zur magyarischen Musik und zu einer ihrer Melodien lässt sich nicht nachweisen, aber die Würze des von der Solovioline in Terzen doppelgriffig ausgespielten und von verzückten, trillerdurchsetzten Bewegungen des Orchesters im Stil eines Verbunkotanzes begleiteten Motivs ist nicht zu verachten (familiäre Wurzeln Joachims verlaufen übrigens ins Ungarische, vielleicht hat auch dies in Brahms’ Themenerfindung mitgespielt). In das pulsierende Treiben im Zweivierteltakt baut Brahms zwei kontrastierende Couplets – eines davon im Dreivierteltakt – ein. Das konzertierende Moment gewinnt in diesem Satz deutlich die Oberhand über das noch im ersten Satz vorherrschende symphonische Prinzip. Im Rondo darf der Solist auch losgelöst vom Orchester brillieren. In der Coda erhöht Brahms die Rasanz noch erheblich, indem er das Zweiermetrum in eine motorische Sechsachtel-Variante des Themas umwandelt.

Der Komponist hat das Violinkonzert seinem Paten Joseph Joachim zugeeignet, der das Werk am 1. Jänner 1879 in Leipzig als Solist unter der Leitung des Komponisten auch aus der Taufe hob.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Antonín Dvorák

Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88

Sätze

  • Allegro con brio

  • Adagio

  • Allegretto grazioso

  • Allegro ma non troppo

Dauer

36 Min.

Entstehung

1889

Antonín Dvorák verdankt seinen späten künstlerischen Durchbruch eigentlich Johannes Brahms. Dieser hatte dafür gesorgt, dass die «Slawischen Tänze» im Druck erschienen und damit einen entscheidenden Impuls für die internationale Anerkennung gaben. Aber nicht nur in den populären Tänzen vermochte Dvorák das Wesen seiner Heimat in musikalisch farbenfrohen Ausdrucksvarianten niederzulegen, auch sein symphonisches Œuvre sprudelt immer wieder geradezu über vor böhmischer Melodienüppigkeit. Eines der besten Beispiele dafür ist seine achte Symphonie, die er selbst als «ein von seinen anderen Symphonien verschiedenes Werk» sah, und das er «mit individuellen, in neuer Weise ausgearbeiteten Gedanken» zu erfüllen gedachte. Sein Biograph Otakar Šourek hatte diesen Einblick in die Geschichte der Symphonie von Dvorák noch selbst erfahren. Tatsächlich markiert die Symphonie auch einen Wendepunkt in seiner Kompositionsweise: Entgegen der ästhetischen Vorstellungen etwa eines Johannes Brahms begann er, Programmmusik zu schreiben – etwa seinen Klavierzyklus «Poetische Stimmungsbilder» oder die symphonischen Dichtungen «In der Natur», «Karneval» und «Othello». Überdies geht er in der Gesamtanlage des Werkes mit der symphonischen Form recht frei um. Die Entstehung der manchmal auch «Die Englische» genannten Symphonie (Herbst 1889) fällt in eine Zeit ungetrübter Schaffenskraft und vor allem auch gewachsener internationaler Anerkennung von Dvoráks Werk.

Erst am 10. August 1889 schrieb Dvorák an seinen Freund Alois Göbl: «Sie wollen wissen, was ich tue? Ich habe den Kopf voll, wenn der Mensch das nur gleich aufschreiben könnte! Aber was nützt es, ich muss langsam machen, soweit die Hand will und das Übrige wird der Herrgott geben … Es geht über die Erwartung leicht und die Melodien fliegen mir nur so zu …» Zur Zeit des Briefes vollendete er noch sein Klavierquartett op. 87 und schon am 26. August 1889 setzte er die Arbeit an den ersten Entwürfen zur neuen Symphonie fort, die in wenigen Wochen fertig skizziert vorlag. Es mag auch an seinem Landhäuschen in Vysoká liegen, dass er eine derart vielfältige, reichhaltige Symphonie so rasch zu Papier bringen konnte – diente ihm doch gerade die freie Natur zeitlebens als Inspirationsquelle. Die Ausarbeitung und Instrumentierung nahm er dann in Prag vor, am 8. November 1889 war die Symphonie fertig, jetzt erweitert um die Fanfaren zu Beginn des Finales, die in der Skizze noch nicht enthalten waren. Die Uraufführung dirigierte Dvorák selbst in einem Konzert der Umelecká Beseda im Prager Rudolfinum am 2. Februar 1890. Die Widmung der Symphonie ging an die Franz-Josefs-Akademie für Wissenschaft und Kunst in Prag, deren Mitglied Dvorák zwei Monate später wurde. Warum aber bezeichnete man das Werk lange als «Englische»?Musikalische Gründe gibt es dafür nicht, doch tatsächlich englische: Seit seinem ersten Besuch in London im Jahr 1884 war Dvorák immer wieder eingeladen worden, dort zu dirigieren, da ihn die Briten außerordentlich schätzten. Aus diesem Grund verlieh ihm die Universität von Cambridge im Juni 1891 die Ehrendoktorwürde, und er bot im Gegenzug seine achte Symphonie als «Exercise» an – widmete sie also ein weiteres Mal. Hinzu kam, dass sich Dvorák, an Selbstbewusstsein deutlich reicher als noch vor einigen Jahren, mit seinem Verleger Nikolaus Simrock (der eine Art Vorkaufsrecht an Dvoráks Werken hatte) immer mehr stritt und sich schließlich weigerte, ihm die Rechte für die Symphonie zu überlassen. Simrock wollte ihm, mit Hinweis auf die schlechten Aussichten bei großen Orchesterwerken, nur einen Mindestpreis zahlen. Dvorák wandte sich daraufhin an den englischen Verlag Novello, der mit Freuden die Symphonie annahm und sie im Jänner 1892 in Partitur, Stimmen und einer Fassung für Klavier zu vier Händen herausgab. Simrock wurde vor vollendete Tatsachen gestellt – und «Die Englische» war geboren. Somit wird man vergeblich im musikalischen Innenleben der Symphonie nach dem «typisch Englischen» suchen. Dvoráks Biograph Otakar Šourek meinte viel mehr: «Sie macht den Eindruck, als wäre sie unmittelbar der böhmischen Natur und dem tschechischen Volk entsprungen.» Und genau als das war sie auch gedacht, denn immerhin bedankte sich der Komponist persönlich in einer Privataudienz bei Kaiser Franz Joseph für die Aufnahme in die Akademie mit eben dieser Symphonie, als einer Komposition in der Tonsprache seiner Heimat.

Die Celli eröffnen, unterstützt von Klarinetten, dem ersten Fagott und Hörnern, mit einem schwärmerischen Thema den Kopfsatz der Symphonie. Weniger folgt Dvorák hier den Regeln der Sonatenhauptsatzform, viel mehr gönnt er dem Reichtum der Themen und Motive die Freiheit rhapsodischer Entfaltung und weiträumiger Steigerungen. Flugs erscheint ein zweites Thema, in e-moll, ruhiger als das von g-moll nach G-Dur aufgehellte und variierte Hauptthema. Plötzlich setzt eine Wiederholung des ersten Teiles ein, doch entpuppt sich der Rückgriff auf den Symphoniebeginn als Auftakt zu einem dramatisch erhitzten Durchführungsabschnitt. Eine klassische Reprise bleibt bewusst ausgespart zugunsten des unweigerlich rhythmisch zündenden Vorwärtsdrangs. Die beiden Mittelsätze erscheinen uns in erster Linie als eindringliche, immer wieder schwärmerisch aufrauschende Stimmungsmalerei: Das Adagio entwickelt sich vom herrlich dunkel gefärbten Balladenton des Beginns in einen tänzerischen Verlauf, woraus sich wiederum kantigere, schärfere Momente entspinnen. Allerlei Selbstzitate sind darin verwoben, das dritte der «Poetischen Stimmungsbilder» op. 85 oder das Choralthema der «Hussiten»-Ouvertüre. Nach einem Rückgriff auf die Anfangsstimmung kommt der Satz beinahe zum Stillstand, bevor daraus ein schmerzlich auffahrendes Hornthema zu einem Poco più animato mit schmetternden Trompeten führt – und von dort zurückfließt in den von abwärts gleitenden Figuren umspielten tänzerischen Duktus. An einen stilisierten, wehmütigen Walzer erinnert sodann der dritte Satz, Allegretto grazioso, dessen (nicht so bezeichnetes) Trio auf einem Thema aus Dvoráks eigener Oper «Tvrdé palice» («Die eigensinnigen Dummköpfe») basiert. Die schmissige Coda lässt die wehmütige Walzer-Stimmung plötzlich vergessen und scheint sie im Nachhinein als Trugbild zu entlarven. Gleichzeitig bereitet sie den Boden für das effektvolle Finale, dessen glänzende Instrumentierung den Kehraus-Charakter noch verstärkt. Das Hauptthema wird drei Mal variiert, bevor es in der vierten Variation ausbricht, Fortissimo und mit den berühmten Horntrillern versehen. In scharfem Kontrast schließt ein marschartiges zweites Thema an, aus dem sich sodann, freilich zögerlicher, etwas abgeklärter als zu Beginn, erneut das Hauptthema entspinnt. Es wird zunehmend ruhiger, verdämmert beinahe, bevor es doch noch ein letztes Mal stürmisch explodiert.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Markus Hennerfeind