Mozart & Bruckner

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    im Abo erhältlich

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    Das Konzert ist zur Zeit exklusiv im Abo erhältlich, der allgemeine Verkauf startet am 4. September 2024.

Interpreten

  • Marie-Ange Nguci, Klavier
  • Fabio Luisi, Dirigent

Programm

Nur zwei seiner Klavierkonzerte hat Wolfgang Amadeus Mozart in Molltonarten verfasst: Jenes in d-Moll KV 466 scheint die düstere Strenge des «Don Giovanni» und des Requiems vorwegzunehmen – und doch findet das Finale zuletzt in die festliche Helle von D-Dur. Den Solopart übernimmt die junge französische Pianistin Marie-Ange Nguci. Wie Anton Bruckners Neunte geendet hätte, wissen wir nicht, denn der Komponist ist 1896 vor der Vollendung dieses dramatischen, erhabenen Werkes gestorben. Im Brucknerjahr 2024 feiern die Tonkünstler mit diesem rätselhaft vollendet anmutenden Torso die lang ersehnte Wiederbegegnung mit Fabio Luisi, ihrem einstigen Chefdirigenten, im symphonischen Abonnementprogramm: Das verspricht ein denkwürdiges Konzerterlebnis.

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Wolfgang Amadeus Mozart

Konzert für Klavier und Orchester d-Moll KV 466

Sätze

  • Allegro

  • Romance

  • Allegro assai

Dauer

32 Min.

Entstehung

1785

Wolfgang Amadeus Mozart arrangierte als zehnjähriger Bub drei Klaviersonaten von Johann Christian Bach für Klavier und Orchester. Damit erprobte er die Verbindung des Tasteninstruments mit einem Begleitensemble. Das war eine Vorstufe. Als 17jähriger begann Mozart dann mit der Produktion von eigentlichen Klavierkonzerten, seiner erstaunlichsten Werkgruppe in der Instrumentalmusik: Sechs Konzerte schrieb er in der Salzburger Zeit, ab 1782 folgte in Wien die Fülle von 17 weiteren Konzerten, mit denen Mozart die Öffentlichkeit für sich einzunehmen trachtete und einen konzertanten Kosmos erschuf. Wohin Mozart mit seinen Klavierkonzerten gefunden hat, ist eindeutig: zu einer vollkommen neuen Form des Konzertierens in einem tragfähigen Konzept, das von Komponisten bis ins 20. Jahrhundert in seinen Grundzügen beibehalten werden konnte. Woher er mit seinem Konzertstil kam, ist hingegen rätselhaft. Mozart brachte sofort einen vollkommen ausgereiften Prototyp hervor, der sich von etwaigen Vorbildern (Johann Christian Bach oder dem Wiener Rokokomeister Georg Christoph Wagenseil) total absetzte.

Das Soloinstrument erhält ein riesiges Sortiment an bis dahin ungekannten Äußerungsformen von speziellen Trillern bis zu dramatischen und einfühlsamen Floskeln. Das Orchester ist nicht nur Begleiter, sondern gleichwertiger Dialogpartner, sei’s im farbenfrohen Miteinander oder in vielfältigen solistischen Aufgaben besonders der Holzbläser, die mit dem Klavier Frage- und Antwortsituationen durchlaufen. Schließlich prägte Mozart die konzertierende Sonatenform mit Expositionen sowohl des Orchesters als auch des Soloinstruments und mit Themendualismus. In keiner anderen Gattung äußerte sich Mozart zudem so privat. Er lebte in den Klavierkonzerten sein Verhältnis zur Umwelt aus, klärte Gefühlsangelegenheiten, erörterte geistige Fragen.

Die Wiener waren verrückt auf die so genannten «Akademien» mit dem jungen Musiker aus Salzburg, bei denen er sich vornehmlich mit Klavierkonzerten produzierte. Auch Mozarts Vater Leopold, der die Übersiedlung des Sohnes nach Wien eigentlich mit viel Argwohn zur Kenntnis nahm, konnte erfreut die Uraufführungen von mehreren Klavierkonzerten erleben, so auch am 11. Februar 1785 in der «Mehlgrube» vom Konzert d-moll KV 466. Aus einem Brief des Vaters wissen wir, dass Mozart das Konzert gerade noch rechtzeitig fertig stellte. Die Musik ist offenbar in einer heftigen Gefühlsaufwallung innerhalb weniger Tage hervorgebrochen. Erstmals komponierte Mozart ein Klavierkonzert in Moll und drang damit in eine nächtliche Welt vor, in der später Don Giovanni seine Abenteuer erlebte.

Die düstere Einleitung im ersten Satz verheißt nichts Gutes. Über rollenden Bässen und zuckenden Synkopen in den melodieführenden Instrumenten braut sich ein Unwetter zusammen. Auch das zweite Thema, von den Holzbläsern in F-Dur angestimmt, kann die Wolken nicht vertreiben. Dann setzt das Klavier mit einem eigenen, klagenden Thema ein, das während des ganzen Satzes nur ihm alleine vorbehalten bleibt. Mozart stellt deutlich fest: Das ist die individuelle persönliche Welt, während das Orchester die Außenwelt ist. In deren Bedrohlichkeit wird das Soloklavier immer wieder schicksalshaft verstrickt. Die musikalische Durchdringung bekommt hier eine existentielle Bedeutung. Düster-leise klingt der betroffen machende Satz aus.

Mit einem anmutigen, kindlich-unschuldigen Thema in B-Dur hebt das Klavier in der Romanze an, man ist an den Tonfall bestimmter Klaviersonaten Mozarts erinnert. Die Streicher entführen das Thema in kantable Bereiche. Doch dann bricht unvermittelt das Unwetter los, das sich im ersten Satz zusammengebraut hat: Stürmische Akkordzerlegungen entfachen einen dramatischen Mittelteil in g-moll. Innere und äußere Stürme prallen aufeinander. Tränen und Regen verwandeln sich in Sturzbäche. Doch nach letzten Tropfen in den Holzbläsern kehrt die idyllische Romanzenstimmung zurück.

Der auffahrende Gestus im Finale entfacht symphonische Reaktionen. Das vom Klavier eingeführte, trotzige Thema wird vom Orchester sofort kontrapunktisch verdichtet. Im Mit- und Gegeneinander werden Klavier und Orchester von Erschütterungen gebeutelt. Doch wie aus dem Nichts taucht dann plötzlich ein positives Zeichen auf: Die Holzbläser führen eine heitere, tänzerische Floskel in Dur ein. Die Musik steuert auf ein Happy end zu, die Trompeten trumpfen mit einem Signal im D-Dur-Dreiklang auf. Dem setzt allerdings das Klavier in seinem letzten Akkord mit den Tönen cis-d-e-g doch noch eine Dissonanz dagegen.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

Anton Bruckner

Symphonie Nr. 9 d-Moll

Sätze

  • Feierlich; misterioso

  • Scherzo. Bewegt; lebhaft - Trio. Schnell

  • Adagio. Langsam; feierlich

Dauer

60 Min.

Entstehung

1887-1896

Anton Bruckner hatte sich bis in die Jahre um seinen 40. Geburtstag die Kirchenmusik zum Zentrum seines Schaffens erkoren, wodurch ihm sogar die kompositorische Selbstfindung gelungen war: nämlich in den drei großen Messen der 1860-er Jahre in d-moll, e-moll und f-moll, die zeitgleich mit seiner ersten «gültigen» Symphonie in c-moll entstanden sind. In der Folge wandte er sich, nach Organistenstellen in Sankt Florian und Linz nunmehr in Wien ansässig und dort als Professor am Konservatorium und Hoforganist tätig, nahezu ausschließlich der Symphonik zu. Nicht nur durch die ihm selbstverständliche katholische Frömmigkeit, sondern auch durch musikalische Bezugnahmen blieb freilich der sakrale Aspekt in seinen großen Orchesterwerken ständig präsent: Unverkennbare zitathafte Wendungen in den Symphonien rufen nicht bloß geliebte, sondern wohl auch von ihrem Glaubensgehalt her für Bruckner im jeweiligen Moment besonders wichtige, ihm nahe gehende Stellen aus den großen Messen in Erinnerung. Doch darüber hinaus verweisen die Symphonien schon von Grund auf immer wieder unmiss-verständlich ins Transzendentale – ein Aspekt, der wohl in keinem Werk so deutlich wird wie in der unvollendeten Neunten. «Das Erlebnis göttlicher Präsenz, aber auch die Qual der in den Abgrund der Ewigkeit hinabschauenden Seele, die Entzückungen, durch göttlichen Anhauch verursacht, aber auch der nackte Schrecken und die gähnende Leere des menschlichen Gemütes im Zwiespalt des Zweifels – das sind die Urelemente der Musik Bruckners in seinem letzten Werk»: So poetisch treffend fasste einst der Musikwissenschaftler Hans Ferdinand Redlich den Gehalt des Werks zusammen. Sie darf als eines jener Beispiele aus der Musikgeschichte dienen, die belegen, dass auch Fragmente einen Grad der Vollendung annehmen können, der nicht mehr steigerbar scheint.

Denn trotz einer fast zehnjährigen Arbeit an dem Werk – der Komponist hatte es im Herbst 1887 begonnen, nur sechs Wochen nach Vollendung der achten Symphonie in ihrer ersten Fassung, und ungeachtet schwindender Kräfte durch eine schwere Lungenentzündung praktisch bis zu seinem Tod am 11. Oktober 1896 daran gearbeitet – musste das Finale ein Torso bleiben: Während die ersten drei Sätze bereits im November 1894 abgeschlossen werden konnten, ist Bruckner beim letzten Satz, wie man heute weiß, zu vollständig (172 Takte), zumindest teilweise instrumentierten (über 200 Takte) und skizzierten Teilen bis wenigstens zum Beginn der Coda (insgesamt mehr als 500 Takte) gekommen – das heißt also, wesentlich weiter, als lange Zeit angenommen. Die Quellenlage wird allerdings durch den Umstand erschwert, dass nach Bruckners Tod unter Vertrauten, Schülern und Reliquienjägern gerade die Notenblätter dieses unvollendete Finales zu den begehrtesten Memorabilia gezählt und in zumindest dreißig Einzelteile aufgeteilt wurden – viele Seiten der fertigen Partitur sind somit heute verschollen. Müßig ist es freilich, darüber zu spekulieren, ob Bruckner die Neunte komplett hätte fertig stellen können, wäre er nicht wegen der Zurückweisung der Achten durch den Dirigenten Hermann Levi in eine neuerliche Phase der Umarbeitung seiner Symphonien geraten: 1888/89 brachte er die Dritte in eine neue, verknappte Form, 1889/90 arbeitete er die Achte um und gab anschließend bis ins Frühjahr 1891 der Ersten eine alternative Gestalt – alles im Hinblick auf Aufführungen, die zu zentralen Daten in der spät sich einstellenden weitreichenden Anerkennung des Komponisten wurden, deren Vorbereitung aber viel Zeit und Kraft an sich band. Das vielleicht faszinierendste Faktum ist aber, daß die Auf-führungspraxis – und das gewiss nicht nur aus praktischen Über-legungen – sich über Bruckners Ersuchen, notfalls möge sein grandioses «Te Deum» von 1884 als Finale erklingen, zum allergrößten Teil hinwegsetzt und diese seine letzte Symphonie mit den verklärten E-Dur-Klängen des Adagio enden lässt. Es scheint, als habe die Musik hier ihren verfrühten, aber doch logischen und befriedigenden Endpunkt erreicht, eine letzte Schwelle, die zu überschreiten nicht mehr nötig und möglich ist. Das liegt freilich ganz entscheidend daran, dass Bruckner, wie schon in der Achten, das Scherzo an die zweite Stelle rückt und somit eine ausgewogene Dreiteiligkeit entsteht: Breit ausgeführte, monumentale Ecksätze von großer Kühnheit und Ausdruckskraft umschließen einen lebhaften Mittelsatz, der die wohl exzentrischste und avancierteste Musik aus der Feder des Komponisten birgt.

«Ein eigenartiges Merkmal der drei Sätze dieser Symphonie (und damit auch ihres fragmentarischen Charakters) ist, dass die Grundtonart d-moll eigentlich nirgends deutlich bestätigt wird», merkte Attila Csampai einmal an. «Das Adagio pendelt zwischen den entfernten Tonarten E-dur und As-dur, das Trio des zweiten Satzes ist gar in Fis-dur, also noch weiter entfernt, angesiedelt, während im Kopfsatz im Bereich des Hauptthemas Unisono und leere D-Klänge dominieren, so daß der eigentliche, warme Charakter ‘gefüllter’ d-moll-Klänge im ganzen Werk nicht zur Geltung kommt. Selbst an seiner ureigensten Stelle, an jenem Platz, der sonst die Grundtonart der Symphonie bestimmt, am Schluß des Kopfsatzes nämlich, entbehrt der Grundklang eines Tongeschlechts: es erklingt ein leerer D-Klang.» Der verweist allerdings in seiner harten Archaik etwa auf Mozarts Requiem, in dem am Ende des Kyrie (und damit auch am Schluss des Werks in Süßmayrs Ergänzung) die selbe kalte leere Quint D–A steht.

Mögen die späten Bruckner-Symphonien einander auch in vielen Aspekten ähneln, so hat doch jede ihre scharf umrissene, eigene Kontur. Das gilt in besonderem Maße auch für die Neunte. Gleich ihr Stirnsatz (Feierlich, misterioso) überrascht nicht nur durch besonders reiches Themenmaterial, sondern auch durch die ungewöhnliche formale Anlage eines modifizierten Sonatensatzes. Nicht weniger als vier Themengruppen fächern sich in eine große Zahl von Gestalten auf, von denen die erste Gruppe mit einem von den acht Hörnern angestimmten geheimnisvollen Thema angeführt wird, das sich über einem Tremolo-Orgelpunkt von der Tonika zuerst zur Terz, dann zur Quint erhebt und einen fanfarenartigen Aufschwung nimmt, der gleich darauf aber wieder zurücksinkt. Langsam aber stetig gerät sodann das ganze Orchester in Aufruhr und stellt schließlich in mächtigem Unisono ein monumentales zweites Thema heraus, das durch die abstürzende Oktav und fallende Chromatik ungemein gestisch wirkt. Eine ruhige Überleitung mit dialogischen Auftaktmotiven der Holzbläser über fallenden Streicherpizzicati führt zum dritten, dem «Gesangsthema», das sehnsuchtsvoll in den Streichern erklingt und breit ausgeführt wird. Schließlich kündigt sich in den eng geführten Holzbläsern ein viertes Thema an, das sodann in den Streichern in Umkehrung erscheint – eine d-Moll-Dreiklangszerlegung, welche ebenfalls ausführlich in den Verlauf eingearbeitet wird. Die enorme Komplexität bereits dieser Themenaufstellung macht nun eine eigentliche Durchführung überflüssig: Sie erscheint als zweiter großer Formteil gleich mit der Reprise verquickt, in der die Reihenfolge der Themen verändert ist und zunehmend Trauermarsch-Elemente auftauchen. Eine vergleichsweise kurze Coda versammelt nochmals alle Kräfte zum gewaltigen Abschluss.

Das dämonische Scherzo (Bewegt, lebhaft) nimmt sodann von einem dissonant schwebenden Akkord seinen Ausgang, der Bruckners in dieser Symphonie deutliche Tendenz, «grundlegende Tonartenverhältnisse zu verschleiern» (H. Redlich), überdeutlich macht. Auf- und abwärts führende, geheimnisvolle Streicherpizzicati führen zu jenem grausam brutalen Stampfen des ganzen Orchesters, das alles unter sich zu zermalmen droht. Die «kleine pastorale Oboenmelodie» (A. Csampai), die dem Dröhnen entkommt, wirkt wie die Re-miniszenz an eine längst vergangene, gute alte Zeit. Bleibt nur die irreal flirrende Fis-Dur-Traumwelt des Trios (Schnell), in der ein vorbeihuschendes und ein melancholisches Thema einander abwechseln.

Das Adagio (Langsam, feierlich) hat Bruckner einmal als das schönste aus seiner Feder bezeichnet – ein Epitheton, das die Katastrophe unterschlägt, die sich da unterwegs ereignet. Denn das Intervall der kleinen Non, mit dem sich das schmerzlich expressive Hauptthema zu Beginn aufbäumt, um dann chromatisch abzusinken und eine Oktav zu fallen, wird zum bestimmenden Element einer durch Mark und Bein gehenden sechstönigen Dissonanz am Höhepunkt, die in einer bestürzenden Generalpause nachzittert. Doch die Zuversicht siegt auch diesmal – in einem Satz, der ansonsten freilich Sphärenklänge, durchaus hart tönende himmlische Fanfaren und irdische Abschiedsgesänge auf bewegende Weise einander gegenüberstellt und miteinander kombiniert. Thematische Reminiszenzen an das Miserere aus der d-moll-Messe, das Adagio der Achten und in den letzten Takten der Wagner-Tuben auch an den so vertrauensvoll nach oben führenden Beginn der siebenten Symphonie scheinen in der Coda einen Schlussstrich unter Bruckners Schaffen zu ziehen, das hiermit friedvoll verklärt ausklingt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Walter Weidringer