Rachmaninow & Mahler

Wien Musikverein Großer Saal Musikverein | Großer Saal

Interpreten

  • Kyohei Sorita, Klavier
  • Yutaka Sado, Dirigent

Programm

So wunderbar leicht und musikalisch mitreißend der Eintritt in Gustav Mahlers Kosmos mit seiner ekstatisch endenden ersten Symphonie wirken mag, so holprig war der Start des Komponisten mit seinem Erstling, der bis zur definitiven Gestalt mehrere Fassungen durchlaufen musste. Dabei wurde ein Satz mit dem Titel «Blumine» gestrichen, den Yutaka Sado bei seinen umfassenden Mahler-Erkundungen nun neu zur Diskussion stellt. Große Gefühle verspricht davor auch Sergej Rachmaninows drittes Klavierkonzert: Der junge japanische Pianist Kyohei Sorita, bei den Tonkünstlern längst kein Unbekannter mehr, wurde 2021 beim Chopin-Wettbewerb mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

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Sergej Rachmaninow

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 d-Moll op. 30

Sätze

  • Allegro ma non tanto

  • Intermezzo. Adagio –

  • Finale

Dauer

40 Min.

Entstehung

1909

Sergej Rachmaninow ist mit einer so verdächtigen Fülle an Klischees behaftet wie kaum ein Komponist. Das Image des aus Russland stammenden Hollywood-Lieblings und virtuosen Salonromantikers, der dem amerikanischen Publikum nach dem seichten Gusto schreibt, wurde durch viele Faktoren herangezüchtet, die Rachmaninow selbst kaum beeinflussen konnte. Man denke beispielsweise an den Marilyn Monroe-Film «Das verflixte siebente Jahr», in dem der Komponist als leidender Schwerenöter und unwiderstehlicher Verführer persifliert wird. Seine Auftritte in den USA als Klaviervirtuose und Interpret eigener Kompositionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Vorarbeit geleistet. Es war die in den USA damals selbstverständliche Weltoffenheit und gleichzeitig die Lust am Exotischen, die es reizvoll machten, die Nähe zu einem Künstler wie Sergej Rachmaninow zu suchen. Seine Emigration 1917 in die USA – ein Jahr, in dem viele Russen dort eine neue Heimat gefunden hatten – machte den hochsensiblen Künstler zum Fremden in einem fremden Land. Amerika hatte er schon zuvor auf seinen Tourneen kennen gelernt, aber auch nach der begeisterten Aufnahme im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurde er nie wirklich einer der «ihrigen».

Und so blieb Rachmaninow ein Entwurzelter: das neue Russland verzieh ihm den Abgang nicht und strafte ihn lange mit Verachtung. Für die Amerikaner blieb er – wenn auch hoch geschätzt – ein Immigrant. So gern das Publikum jenseits des Atlantiks auch Glanz und Gloria, charmante Exsaltiertheit und heißblütiges Pathos in Rachmaninow gesehen und gehört hätte, er war in Wirklichkeit doch ein anderer. Zeitzeugen beschreiben ihn als wortkarg und distanziert, sein abgehobenes und asketisches Auftreten wirkte auf viele zurückweisend. Das übergroße Kostüm für die Rolle des russischen Tastenmagiers, das man ihm ungefragt übergezogen hatte, lenkte die Aufmerksamkeit weg von seinen übrigen Werken, den meisterhaften Symphonien, den symphonischen Dichtungen, den Opern und Kantaten – sie alle blieben weitgehend unbeachtet und erhalten bis heute – auch in Rachmaninows Stiefmütterchen Russland – nur wenig Aufmerksamkeit. Und wenn er auch als der «amerikanischste» aller emigrierten Russen gilt, war Sergej Rachmaninow in der Reihe von Igor Strawinski, Sergej Koussewitzky und Vladimir Horowitz der einzige, der nie die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragte. Es gibt genügend Hinweise darauf, dass der Schlüssel zu Sergej Rachmaninow nicht unter dem Walk of Fame in Hollywood liegt, sondern in russischer Erde vergraben ist. Von 45 Werken mit Opuszahl entstanden 39 in der Zeit vor 1917, also noch vor der Emigration. Noch 1941 sagte er in einem Interview: «Ich bin ein russischer Komponist, und meine Heimat hat mein Temperament und meine Anschauungen geprägt. Meine Musik ist Ausdruck meines Temperaments, und also ist sie russische Musik.»

Das Klavierkonzert Nr. 3 gilt als eines der technisch schwierigsten Werke dieser Gattung. Rachmaninow überzeugt darin nicht durch effekthascherische Virtuosität, er lässt den Klavierpart als kontemplativen Botschafter der Zurückgezogenheit auftreten. In ein undefinierbares Pulsieren des Orchesters fügt sich zu Beginn der Solopart ganz träumerisch ein. Fast wie improvisiert klingt das Thema des ersten Satzes (Allegro ma non tanto), das sich auf wenige Töne beschränkt und vorerst noch seinen eigenen Raum und Kontur sucht. Langsam ertastet das Klavier – nicht ohne dramatische Einsprengsel und den für Rachmaninow typischen drängenden Fluss – die Spielfläche und tritt in einen Dialog mit dem Orchester. Dazwischen führt der Solopart immer wieder versonnene Selbstgespräche, die wortlos durch die durchlittene Vergangenheit führen. Das träumerische Hauptthema des Satzes dient als Keimzelle, zu der alles immer wieder zurückführt. Das Klavier wirkt, bei aller Brillanz, verhalten und fast verklärt. Rachmaninow erreicht diesen Eindruck durch eine Engführung der Klavierstimme, die sich praktisch nur in Sekundschritten bewegt; große Sprünge fehlen völlig.

Der zweite Satz (Intermezzo. Adagio) vertauscht die Rollen zwischen Orchester und Klavier. Der Solopart übernimmt hier zu Beginn die Rolle eines Begleiters und betritt erst nach einem ausladenden Orchestervorspiel die Bühne. In großen Flächen überschüttet das Klavier die Zuhörer mit chromatischen Kaskaden, bevor es sich mit scharfen, kantigen Zerlegungen letztlich doch zum Protagonisten macht. Die Melodien bleiben schwer greifbar, chromatisch verwischte Figuren sowohl im Orchester als auch im Klavierpart erlauben keinen Halt. Ein plötzlicher Ausbruch leitet in eine weitere Phase der verträumten Zerlegungen über, die vom Klavier mit einer Reihe von Attacca-Schlägen nahtlos zum Finale übergeführt werden.

Im Finale, das Rachmaninow in einer Kombination aus Sonaten- und Rondoform anlegt, gewinnt die Klavierstimme das Selbstvertrauen, das zuvor fehlte. Als wäre das bisher Erklungene ein Ringen um Mut und Zuversicht gewesen, schwingt sich der Solopart in kecken Figuren zu virtuosen Höhen auf. Gepeitschte Synkopen und wirbelnde Passagen verfehlen ihre Wirkung nicht. Thematisch greift Rachmaninow Gedanken aus dem ersten Satz des Konzerts wieder auf, die am Beginn des Werks noch etwas Einfältiges an sich hatten. Nun hebt die mondäne Stimmung des Finalsatzes diese Ideen auf ein neues Niveau, wo sie ihre Strahlkraft voll entfalten können. Der Schluss wird durch eine Entschleunigung des Soloparts eingeleitet, der trügerisch zum Verweilen einlädt. Das Orchester spannt die Triebfeder für einen instrumentalen Höhenflug durch alle Gefilde der romantischen Seele, der das Publikum von erbostem Grollen in der Tiefe bis zu einem feierlichen Fortissimo-Feuerwerk führt.

Der Erfolg bei Publikum und Kritik war nach der Uraufführung in New York sensationell. Auch am 4. April 1910, als das Werk erstmals in Moskau erklang, zeigte man sich begeistert. Der Kritiker Grigori Prokofiew schrieb: «Das neue Konzert zeigt die besten Seiten seiner schöpferischen Kraft – Aufrichtigkeit, Schlichtheit und Klar­heit der musikalischen Gedanken […] Es hat alle Frische der Inspiration, ohne nach der Erschließung neuer Wege zu streben, eine klar umrissene und lakonische Form und eine brillante Instrumen-tation – Qualitäten, die dem Werk den Erfolg und die dauerhafte Liebe der Musiker und des Publikums sichern werden.» Mit seiner Prophezeiung sollte der Kritiker recht behalten.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Alexander Moore

Gustav Mahler

Symphonie Nr. 1 D-Dur inklusive «Blumine»

Sätze

  • Langsam. Schleppend - Immer sehr gemächlich

  • «Blumine» Andante con moto

  • Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell

  • Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen

  • Stürmisch bewegt

Dauer

60 Min.

Entstehung

1884/1888