Korngold & Strauss

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Details und Tickets

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Interpreten

  • Simone Lamsma, Violine
  • Fabien Gabel, Dirigent

Programm

Erich Wolfgang Korngold
«Geschichten von Strauss» op. 21
- Pause -
Richard Strauss
Suite aus dem Ballett «Schlagobers» op. 70

Willkommen, bienvenue, welcome: Fabien Gabel, der designierte Chefdirigent der Tonkünstler, bindet für dieses Konzert ein betörendes Klangbouquet mit Blüten aus Fin de Siècle, Jugendstil und Wiener Moderne, die er besonders hegen und pflegen will. Wie sehr der von den Nazis verfemte Erich Wolfgang Korngold in der Wiener Klangtradition verwurzelt war, beweist seine Fantasie über Melodien von Johann Strauss Sohn ebenso wie sein famoses Violinkonzert, das er 1947 in den USA für Jascha Heifetz geschrieben hat: schwelgerisch, kapriziös, groß. Ein Bravourstück für die niederländische Geigerin Simone Lamsma – und ein orchestrales Bravourstück folgt auch nach der Pause, die Suite aus dem Ballett «Schlagobers» von Richard Strauss. Alles Walzer!

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Erich Wolfgang Korngold

Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35

Sätze

  • Moderato nobile

  • Romance. Andante

  • Finale. Allegro assai vivace

Dauer

23 Min.

Entstehung

1937-39/ rev.1945

Erich Wolfgang Korngold war 50 Jahre alt, als sein Violinkonzert 1947 aus der Taufe gehoben wurde, und zwar von keinem Geringeren als dem bedeutendsten Geiger der damaligen Zeit, ja wahrscheinlich des ganzen Jahrhunderts: Jascha Heifetz. «Fünfzig ist alt für ein Wunderkind», soll der Komponist seinen runden Geburtstag übrigens selbstironisch kommentiert haben. Ein solches war er tatsächlich gewesen, und zwar in einer Intensität, dass ihn manche Kommentatoren  gar für die erstaunlichste Frühbegabung der Musikgeschichte halten und darin sogar über Mozart stellen: 1897 in Brünn geboren, konnte der Sohn des einflussreichen Wiener Musikkritikers Julius Korngold nicht nur schon als Knirps prächtig Klavier spielen, sondern schrieb auch noch im Volksschulalter die ersten Stücke und feierte als Elfjähriger sein Komponistendebüt an der Wiener Hofoper mit dem Ballett «Der Schneemann» (dessen Instrumentierung freilich von seinem Lehrer Alexander von Zemlinsky besorgt wurde, bei dem damals bekanntlich auch Arnold Schönberg in die Lehre ging). Seine, wie es schien, eigentliche Berufung sollte Erich Wolfgang Korngold, dessen Schaffen durchwegs mit den größten Musikern seiner Zeit (darunter Gustav Mahler und Richard Strauss) verbunden war, dann allerdings im Genre der Oper finden: Nach den Einaktern «Violantha» und «Der Ring des Polykrates», mit denen der 19-Jährige großes Aufsehen erregen konnte, machte ihn die am 4. Dezember 1920 gleichzeitig in Hamburg und Köln (dort unter Otto Klemperer) uraufgeführte «Tote Stadt» zu einem der erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit, auf einer Ebene mit Richard Strauss: 1921 schon übernahm die New Yorker Metropolitan Opera die Furore machende Novität (mit Maria Jeritza als Marietta), und nicht weniger als etwa 80 weitere Bühnen spielten das Werk in den folgenden drei Jahrzehnten nach. Luxurierender Orchesterklang, sensualistische Effekte, raffinierte impressionistische Färbungen auf Basis einer mit virtuoser Geschwindigkeit gleichsam alle nur denkbaren Kurven des Quintenzirkels nehmenden Harmonik, ohne je aus der Tonalität hinausgeschleudert zu werden – Korngold empfand sich mit seinem ausgeprägten Personalstil durchaus als Vertreter der Moderne, stand jedoch unter dem starken Einfluss seines Vaters, der Schönbergs Atonalität und alle prononcierten Neutöner zutiefst verabscheute und mit Polemiken gegen sie anschrieb. So blieb Korngold letztlich den Klängen des Fin-de-siècle treu, auch und gerade dann, als er 1934 von Max Reinhardt nach Hollywood eingeladen wurde, um mit ihm an einer Verfilmung von Shakespeares «Midsummer Night’s Dream» zu arbeiten und Mendelssohns Schauspielmusik dafür einzurichten und zu erweitern. Es wurde für Korngold der Beginn einer neuen Karriere, die 1938 mit dem «Anschluss» Österreichs an Hitler-Deutschland vorerst zur einzigen wurde.

Was dann passierte, fasste der Korngold-Bewunderer André Previn, selbst nicht nur Dirigent, sondern auch Komponist in allen Genres zwischen Oper und Film, einmal so zusammen: «In Wahrheit änderte sich [Korngolds] Musiksprache dabei gar nicht; seine opulente Harmonik und die spezifische Orchestrierung waren einfach hervorragend für den Film geeignet. Er war der beste Filmkomponist seiner Zeit, und ungewöhnlich viele seiner Kollegen begannen, ihn zu kopieren. So wurde der Sound, den er geschaffen hatte, plötzlich zum Inbegriff von ‹Hollywood›, und bald darauf wurde dieses Wort allgemein zur geringschätzigen Lieblingsvokabel, wenn man von seiner Musik sprach. Tatsächlich aber war es umgekehrt: Nicht Korngold klang wie Hollywood, sondern ein Großteil der Filmmusik begann, wie Korngold zu klingen.»

Das 1945 entstandene Violinkonzert D-Dur op. 35 ist ein Werk der Sehnsucht: nach Europa, nach dem Konzertsaal, nach der «Welt von Gestern», wie Stefan Zweig sie im Exil genannt hat – denn «Kalifornien war nicht Österreich, und die dortigen ‚Coffee Shops‘ nicht die Kaffeehäuser, die Korngold von Jugend an gewöhnt war» (Tom Nolan). Er zog sich vom Film zurück und wollte sein altes Komponistenleben fortführen, doch das sollte sich als schwierig erweisen, war er doch durch Hollywood abgestempelt.

Korngold hat in diesem wie in anderen Werken Themen aus seinen Filmen wiederverwertet – da seine Verträge mit den Studios ihm das uneingeschränkte Copyright auf seine Musik zustanden, war dies kein rechtliches Problem. Ihm dies jedoch zum Vorwurf zu machen, geht gleich mehrfach fehl: Erstens wurde dadurch viel wertvolle Musik der Vergessenheit entrissen, denn das Filmgeschäft war auch damals schon kurzlebig. Zweitens haben Komponisten die ganze Musikgeschichte hindurch Themen zwischen den Genres wechseln lassen – im Barock, etwa auch bei Bach, war dies ganz selbstverständliche Gepflogenheit, es konnte sogar ein betont weltliches Musikstück mit anderem Text geistlich werden und umgekehrt. Und drittens schließlich hat Korngold Filme ohnehin ausdrücklich als «Opern ohne Gesang» aufgefasst und auch in seinen Soundtracks an keiner Stelle den Anspruch aufgegeben, eine letztlich symphonische Musik zu schreiben, die alle instrumentalen und harmonischen Möglichkeiten der Spätromantik an der Schwelle zur Moderne auslotet. Kurz: Es gab für ihn keinen künstlerischen Unterschied, und unter seinem Niveau zu arbeiten, war ihm schlicht nicht möglich.

Das großartige, hoheitsvoll mit den ersten fünf Tönen durch zwei Oktaven ansteigende Hauptthema, mit dem die Solovioline den ersten Satz (Moderato nobile) eröffnet, mag zwar aus dem Film «Another Dawn» (1937) stammen, doch scheint keine bessere Verwendung als in diesem Violinkonzert denkbar. Der schwärmerisch-sehnsüchtige Grundcharakter des Satzes, in dem die Violine mit ausdrucksvoll singenden Kantilenen die uneingeschränkte Hauptrolle spielt, wird freilich ausbalanciert durch große virtuose Ansprüche, an denen eine Solokadenz bald keinen Zweifel lässt. Die folgende, dreiteilige Romance ergeht sich in innigen, zarten Lyrismen, die erstmals im Oscar-gekrönten Streifen «Anthony Adverse» (1936) zu hören gewesen waren und denen ein neu komponierter Misterioso-Mittelteil entgegengestellt ist. Das turbulent-kapriziöse Finale.

Allegro assai vivace im 6/8-Takt mit seinem enorm wandlungsfähigen Themenmaterial ruft «The Prince and the Pauper» (1936) in Erinnerung, verbindet nochmals prächtig aufrauschende Melodien mit virtuos wirbelnden Passagen und würzt das Ganze nicht zuletzt mit einer herrlichen Prise Humor. «Trotz der im Finale verlangten Virtuosität», stellte Korngold selbst nach der Uraufführung fest, «ist das Werk mit seinen vielen melodischen und lyrischen Episoden mehr für einen Caruso als für einen Paganini gedacht. Es ist überflüssig zu erwähnen, wie glücklich ich bin, dass mein Konzert jemand spielt, der Caruso und Paganini in einer Person ist: Jascha Heifetz.» Anfangs einiger Kritik ausgesetzt, wurde das Violinkonzert gerade in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem Glanzstück der Korngold-Renaissance.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer