Leonard Bernstein

Divertimento für Orchester

Sätze

  • «Sennets and Tuckets»

  • Waltz

  • Mazurka

  • Samba

  • «Turkey Trot»

  • «Sphinxes»

  • Blues

  • March - «The BSO Forever»

Dauer

14 Min.

Entstehung

1980

Leonard Bernstein schrieb sein Divertimento für Orchester 1980 im Auftrag des Boston Symphony Orchestra zu dessen 100-Jahr-Feier. Doch lag es keineswegs nur an Bernsteins damals längst singulärem Rang als Komponist, Dirigent und Musikvermittler der USA, sondern auch an seinen weit zurückreichenden persönlichen Beziehungen zu dieser Stadt und deren berühmtem Klangkörper, dass gerade er das Jubiläum mit einem neuen Stück feiern sollte: Bernstein war dort zur Schule gegangen und hatte ab 1940 als Schüler und Assistent von Serge Koussevitzky, der von 1924 bis 1949 Chef des Boston Symphony Orchestra gewesen war, prägende musikalische Eindrücke empfangen. Niemand konnte damals freilich ahnen, dass jener Klangkörper auch das letzte Orchester sein würde, das Bernstein würde dirigieren können: Nur zehn Jahre nach dem 100. Geburtstag des Boston Symphony Orchestra, genauer am 19. August 1990, standen Benjamin Brittens «Four Sea Interludes» aus «Peter Grimes» und Beethovens Symphonie Nr. 7 auf dem Programm, wobei Bernstein während der Symphonie einen schweren Hustenanfall erlitt. Am 14. Oktober 1990 starb er 72-jährig in New York.

«With affection to the Boston Symphony Orchestra in celebration of its First Centenary» lautet die Widmung, und die Buchstaben «BC» für «Boston Centenary» sind als musikalisches Motiv h-c (der Ton h wird im Englischen als b bezeichnet, unser b als b-flat) vielfach in die Partitur eingearbeitet – eine Partitur, die in typisch Bernstein’scher Weise kompositorische Meisterschaft mit intelligenter, mit etlichen Zitaten und Anspielungen gespickter Unterhaltung verbindet, wie es schon der Titel suggeriert und dabei zudem die einzelnen Gruppen des Orchesters in ein virtuoses Licht rückt: Die volle Besetzung erklingt nur in den Sätzen 1, 4, 5 und 8, während die übrigen spezielle Farbmischungen hervorkehren. «Sennets and Tuckets» ist der erste Satz überschrieben – eine in Shakespeares Dra-men für fanfarenartige Musik verwendete Bezeichnung, die von den italienischen Termini Sonata und Toccata herrührt.

Tatsächlich erklingen Aufmerksamkeit heischende, glänzende Fanfarenmotive, denen freilich rasch ein tänzerisches Element beigemengt wird, welches in verschiedenen stilistischen Ausformungen weite Teile des Werks beherrscht. Nur den Streichern ist der wehmütig-verträumte zweite Satz anvertraut, ein entzückender Walzer im irregulär schwebenden 7/8-Takt, bevor Oboen, Englischhorn, Fagotte und Harfe eine ausdrucksvoll schleppende Mazurka anstimmen, die mit einem Zitat aus Beethovens fünfter Symphonie garniert ist. Ausgelassener ist da schon die folgende Samba, und der witzige «Turkey Trot», ein Ragtime-Tanz vom Beginn des 20. Jahrhunderts, zählt mit seinen metrischen, dynamischen und instrumentationstechnischen Finessen zu den Perlen in Bernsteins Schaffen. «Sphinxes» gibt sich daraufhin rätselhaft: Zweimal beginnt eine Zwölftonlinie – und wird dann doch mit einer tonalen Kadenz beantwortet. Ein augenzwinkerndes Statement des Komponisten, der darauf einen lässigen Blues von Blech und Schlagzeug folgen lässt. Das Finale («In Memoriam» – March «The BSO Forever») beginnt mit einem Totengedenken in Gestalt eines ernsten Flötentrios, bevor eine Art Volksfest losbricht, das die Festfanfaren des Beginns mit zünftigen Märschen und anderen Freudenklängen vereint.

Die Uraufführung des Divertimento fand am 25. September 1980 statt, am Pult des jubilierenden Boston Symphony Orchestra stand sein damaliger Chefdirigent Seiji Ozawa, der diese Funktion von 1973 bis 2001 bekleidete und in jungen Jahren Bernsteins Assistent beim New York Philharmonic gewesen war.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Walter Weidringer

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden