Manuel de Falla

Drei Tänze (Suite Nr. 2) aus dem Ballett «El sombrero de tres picos» | «Der Dreispitz»

Sätze

  • Die Nachbarn (Sequidillas)

  • Tanz des Müllers (Farruca)

  • Schlusstanz (Jota)

Dauer

13 Min.

Entstehung

1919

Manuel de Falla wird mitunter nachgesagt, dass er in seiner künstlerischen Bedeutung mit jener Béla Bartóks vergleichbar sei. In der Tat haben de Falla und einige seiner Musikerkollegen maßgeblich zur Entwicklung der spanischen Musik im 19. und frühen 20. Jahrhundert beigetragen, die seinerzeit hinsichtlich der allgemeinen musikalischen Entwicklung im übrigen Europa erheblich im Rückstand war. Richtig ist auch, dass de Fallas Werke in ihrer einzigartigen Verknüpfung von Volks- und Kunstmusik den Gipfelpunkt seines folkloristischen Werkes innerhalb der spanischen Tradition darstellen. Andalusische Volksmusik verband er mit Anregungen des französischen Impressionismus (Debussy, Ravel) zu einem Stil von zugleich persönlicher wie nationaler Prägung.

Dennoch stimmt der Vergleich zwischen Bartók und de Falla nicht. Ersterer schuf aus seinem musikalischen Material (der ungarischen und rumänischen Volksmusik) etwas vollkommen Neues, hinter dem die Ausgangsmusik ganz zurückblieb. De Falla hingegen blieb seinem «Material», der spanischen Volksmusik, treu. Diese hatte er bei seinem Lehrer Felipe Pedrell vertiefend kennen gelernt, der als Begründer der spanischen Musikforschung gilt und seine Schüler dazu anregte, die spanische Musiktradition und ihre Bedeutung für das zeitgenössische Komponieren zu würdigen.

Bereits mit dem Volksstück «El amor brujo», das 1915 in Madrid uraufgeführt wurde, hatte de Falla einen großen Erfolg errungen. Solcherart ermutigt, beschloss er, sich der Erzählung «El sombrero de tres picos» («Der Dreispitz») anzunehmen, die von dem bekanntesten spanischen Novellisten des 19. Jahrhunderts, Pedro Antonio de Alacón y Ariza stammt. Die erste Version dieses Stoffes kam 1917 als Ballett-Pantomime heraus und war bereits ein achtbarer Erfolg für den Komponisten. Doch gelang de Falla noch eine Steigerung, die auf der Bekanntschaft mit dem russischen Impresario Serge Diaghilew gründete. Dieser hatte sich in St. Petersburg bereits als erfolgreicher Kunstkritiker und Organisator hervorgetan. Weltruhm erlangte er durch die Gründung und Betreuung der Ballet Russes, einer Ballettkompanie, mit der er ab 1909 durch Europa und Amerika reiste.

Kurz nach der ersten Aufführung des «Dreispitz» kamen Diaghilew und seine Compagnie nach Spanien. Hier suchte der Impresario nach einem passenden Sujet, und de Falla schien ihm der richtige Mann dafür zu sein. Man einigte sich darauf, die klein besetzte Ballett-Pantomime zu einem Werk für Ballett und großes Orchester umzuarbeiten. Diese Fassung des «Dreispitz», die am 22. Juli 1919 unter der Leitung von Ernest Ansermet in London uraufgeführt wurde, verschaffte de Falla erstes internationales Prestige. Hierzu trug nicht nur seine Musik bei – die im Folgenden noch näher betrachtet werden soll –, sondern sicher auch die Tatsache, dass Diaghilew keinen Geringeren als Pablo Picasso für die Erstellung des Bühnenbildes und der Kostüme gewinnen konnte. Auch die Umsetzung des Werkes durch die Ballet Russes bzw. die Choreographie des berühmten russischen Tänzers Leonide Massine trug zum vollkommenen Triumph des Werkes bei.

Ist «El sombrero de tres picos» also ein spanisches Werk? Auf den ersten Blick trifft dies zu: Inhaltlich basiert das Stück auf einer volkstümlichen spanischen Erzählung, in der es um das vergebliche Liebeswerben eines Mannes um eine schöne Müllersfrau geht. Musikalisch fußt das Werk auf einer Reihe von spanischen Tänzen, die de Falla für die Zweitfassung des Balletts nachkomponiert hatte. Besonders populär geworden ist der Tanz des Müllers («Danza del molinero») aus der zweiten Suite. Der Komponist verarbeitete hier eine wild gestampfte Farruca, eine seiner lebendigsten Ausformungen des Flamenco. Auch sonst finden sich Tanzformen wie Fandango und Seguidilla mit der für andalusische Musik typischen Überlagerung von verschiedenen Rhythmen und einer Harmonik, die dem Flamenco entstammt. Die Tanznummern kulminieren in der abschließenden «Jota», die ihre Triebkraft aus der Gegenüberstellung rhythmischer Ostinati erhält. De Falla verwendete hier Musik aus verschiedenen spanischen Regionen zur Kennzeichnung der harmonisch und klanglich unterschiedlichen Charaktere.

Dennoch traf bereits Igor Strawinski den Nagel auf den Kopf, als er über den «Dreispitz» äußerte, das musikalisch Beste an der Partitur sei nicht unbedingt das am meisten «Spanische». Anders als einige seiner Landsleute erlag de Falla nämlich nicht der Versuchung, ins musikalisch Triviale abzugleiten und eingängige «Postkarten-Folklore» zu komponieren. Vielmehr beweist er mit dem «Dreispitz», dass er seine musikalischen Lektionen auch von Debussy und Ravel gelernt hatte: Tanzrhythmen und melodisch-folkloristische Wendungen sind in die Musik integriert, dennoch bleibt de Falla vor allem den mitteleuropäischen Musikidiomen verpflichtet. «Farbe» in das Geschehen bringt daher nicht ausschließlich das spanische Kolorit, sondern vor allem der Gebrauch von Harmonik und der Farben der Orchesterinstrumente, die de Falla genial beherrschte. Es verwundert wenig, dass in London nach der Uraufführung des «Dreispitz» ein Run auf den spanischen Tanz losbrach – und dass gerade die zweite Suite des Werkes noch heute zu einer der beliebtesten Kompositionen de Fallas gehört.

© Niederösterreichische Betriebsges.m.b.H. | Karin Martensen

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