Franz Liszt

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-Dur

Sätze

  • Adagio sostenuto assai –

  • Allegro agitato assai –

  • Allegro moderato –

  • Allegro deciso –

  • Marziale, un poco meno allegro –

  • Allegro animato

Dauer

7 Min.

Entstehung

1857

«In diesem Hause wurde Franz Liszt geboren. Diese Gedenktafel weiht dem deutschen Meister das deutsche Volk», steht in reichlich indezenter Vereinnahmung über dem Eingang eines Häuschens im burgenländischen Marktflecken Raiding (850 Einwohner). Der ungarische Schriftzug gibt sich da bedeutend nüchterner: «Itt született Liszt Ferenc 1811». Doborján heißt Raiding auf Ungarisch, eine Sprache, von der Liszt zeitlebens nur ein paar Brocken beherrschte. Er wurde auf Deutsch erzogen, um später freilich das internationale Französisch zu bevorzugen - und wollte sich doch selbst als echten Magyaren ansehen.

«Wie der Seemann seine Fregatte, wie der Araber sein Pferd», so notwendig brauche der Virtuose sein Klavier, schrieb Liszt einmal. Sein früh ausgeprägtes Virtuosentum, angefeuert noch durch das Erlebnis des «Teufelsgeigers» Niccolo Paganini, dem er es auf dem Klavier gleichtun wollte, machte in ganz Europa Furore – und verschaffte ihm Zugang zu den vornehmsten Salons und Zirkeln. Er verkehrte mit Berlioz, Chopin, Rossini, Bellini und Mendelssohn, mit Hugo, Balzac und Heine, um nur einige zu nennen, war dadurch angespornt, die Lücken seiner mangelhaften Schulbildung (nur wenige Klassen Volksschule in Raiding, bevor das anstrengende Wunderkinddasein begann) durch ausgiebige Lektüre zu stopfen und wurde gleichsam auf dem zweiten Bildungsweg zu einem in Kunst und Literatur außergewöhnlich bewanderten Mann.

«Ein breiter, einfacher Gesang; lange klingende und streng gebundene Töne; sodann ganze, in gewissen Fällen mit äußerster Heftigkeit und doch ohne Härte, und ohne an harmonischem Glanz einzubüßen, nur so hingeworfene Notenbüschel; ferner Melodienreihen in kleinen Terzen, diatonische Läufe in der Tiefe und in den Mittellagen des Instruments mit unglaublicher Schnelligkeit staccato ausgeführt …» Es bedurfte des unbestechlichen Ohres eines Komponisten wie Hector Berlioz, das umwälzende Phänomen der Klaviertechnik Franz Liszts darzustellen, wo doch sonst meist nur das Phänomen Liszt an sich beschrieben wurde: der dämonische Virtuose, ein «Paganini des Klaviers», der mit wallender Mähne in die Tasten donnert oder sie zärtlich streichelt – und die Damen dadurch reihenweise in Ohnmachten schickt. «Ich bin die große Mode», stöhnte er einmal in einem Brief an Gräfin Marie d’Agoult auf, später einige Jahre lang seine Lebensgefährtin – und Mutter seiner drei Kinder, darunter der jüngeren Tochter Cosima, die ihrerseits zunächst den Dirigenten Hans von Bülow und schließlich Richard Wagner heiraten sollte. «Mein Leben ist fabelhaft eintönig; ich werde von aller Welt geschmeichelt und umfeiert.» Aber er war entschlossen, «das Studium und die Entwicklung des Klavierspiels erst aufzugeben, wenn ich alles getan haben werde, was nur irgend möglich ist.»

1848 war es dann so weit, auch durch äußere (und für Liszt unangenehme finanzielle) Umstände des Revolutionsjahres bedingt: Er gab sein Wanderdasein als Virtuose auf, trat von nun an kaum mehr öffentlich als Pianist in Erscheinung, sondern widmete sich ganz der bereits früher angenommenen Kapellmeisterstelle in Weimar. Als Komponist schuf er nun vor allem programmatische Orchesterwerke und gab älteren Stücken den letzten Schliff. Dennoch ist er, abgesehen von seinem Klavierwerk, heute gerade einmal als Schöpfer einer neuen Gattung, nämlich der «Symphonischen Dichtung», präsent – und dies mehr in den Musikgeschichtsbüchern als in den Konzertsälen. Denn so groß der Ruhm ist, den er als der zentrale Pianist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anhäufen konnte, so schwer sollte er es im 20. Jahrhundert und bis heute haben, als innovativer Komponist ernst genommen und anerkannt zu werden: Immer noch hält sich das Vorurteil, die (wenn auch effektvoll dargebotene) Überwindung technischer Schwierigkeiten stünde unweigerlich im Widerspruch zum musikalischen Gehalt. Dabei haben etwa große Komponisten der Moderne wie Béla Bartók und Arnold Schönberg Liszts zukunftsweisendes Schaffen gewürdigt, das in seinem Spätwerk ab 1880 gar in der Atonalität ankommen sollte; und jedem äußerlichen Showeffekt gründlich abholde Pianisten wie etwa Claudio Arrau wussten auf imponierende Weise für seine Musik zu plädieren.

Das Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur geht in seinen Entwürfen bis auf das Jahr 1839 zurück, in dem Liszt auch das als Nummer 1 veröffentlichte Es-Dur-Konzert konzipiert hat. In beiden Fällen schloss sich jedoch eine komplexe Entstehungsgeschichte mit mehreren Umarbeitungen an, bis das A-Dur-Konzert in seiner endgültigen und heute zu hörenden Fassung am 7. Jänner 1857 im Hoftheater zu Weimar uraufgeführt werden konnte. Hatte Liszt zwei Jahre zuvor bei der Premiere des Es-Dur-Konzerts den Solopart noch selbst übernommen (die Leitung hatte kein Geringerer als Hector Berlioz inne), trat er beim Konzert in A-Dur nun selbst ans Dirigentenpult – ein deutliches Zeichen für die veränderte Rolle, die Liszt im Musikleben einnehmen wollte. Als Solist fungierte stattdessen sein Schüler Hans von Bronsart, der bei der Drucklegung 1863 auch die Widmung des Werkes empfangen sollte.

«Ich kann mit wenig Bausteinen ein musikalisches Gebäude errichten», erläuterte Liszt einmal seine Kompositionsweise. «Andere benötigen dazu das Tausendfache an Material. Ich sage, daß es in der Zukunft wenig Baustoffe geben wird und daß man ein guter Meister sein muß, um damit zurechtzukommen. Nicht in der Verschwendung liegt das Wesentliche, sondern in der Einschränkung auf das Wesentlichste. Eine Idee muß vorhanden sein, nicht eine Ballung an Pseudo-Ideen.» Das zweite Klavierkonzert basiert auf einer einzigen solchen «Idée fixe» (um einen Ausdruck von Hector Berlioz zu verwenden), die in den sechs, weiter untergliederten Abschnitten des ohne Pause ablaufenden Werkes, die Hauptrolle spielt und sich dabei enorm wandelt. «Keine starre Form ermöglicht dem Hörer Orientierung und Sicherheit. Vielmehr sieht er sich einer komplexen Konstruktion disparater Ausdruckscharaktere ausgesetzt, die er wie eine Wanderung durch das Auf und Ab einer Seelenlandschaft erlebt. […] Der Solist, das poetische Subjekt, durchlebt ein (nicht mitgeteiltes) Programm im Dialog mit seiner musikalischen Umwelt» (Helmut Rohm).

In verträumtem Klanggewand stellen die Holzbläser unter Führung der Klarinette das Thema gleich zu Beginn vor, worauf das Klavier mit ausdrucksvollen Arabesken hinzutritt. Doch das Geschehen wandelt sich bald zu pathetischem Ernst, der in eine Art Scherzo von mephistophelischer Bedrohlichkeit überleitet, bis sich das Klavier an die zarte Variante des Themas erinnert: Ein Mittelteil wie eine Nocturne schließt sich an, in dem das Solocello vom Solisten umspielt wird. Resolut fährt daraufhin das Orchester mit dem pathetischen Marsch dazwischen und steigert das Werk über mehrere Stufen und einen vom Klavier verursachten, innigen retardierenden Abschnitt zu einer glitzernden Coda, in der sich Solist und Orchester brillant vereinen.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Walter Weidringer

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