Outi Tarkiainen

«Midnight Sun Variations» für Orchester

Dauer

11 Min.

Entstehung

2019

Mag man in der Regel mit Kaija Saariaho nach wie vor nur eine einzige finnische Komponistin zu benennen, die dem für Moderne aufgeschlossenen Musikpublikum in aller Welt ein Begriff ist, so relativiert sich diese Einengung freilich, wenn man sich eingesteht, dass man mancherorts hartnäckig nach wie vor ausschließlich Jean Sibelius als Vertreter der finnischen Musikgeschichte im Allgemeinen kennt. Betrachtet man aktuelle finnische Konzertprogramme, so wird man es dort jedenfalls nicht als etwas Außergewöhnliches empfinden, weibliche und männliche Namen ohne Fragen nach Gleichberechtigung, sondern selbstverständlich nebeneinander zu lesen.

Mit Outi Tarkiainen steht diesmal in den Tonkünstler-Abonnementkonzerten eine der interessantesten finnischen Komponistinnen der jüngeren Generation auf dem Programm. Einen wahren Erfolgslauf hat ihr knapp zehnminütiges Orchesterwerk «Midnight Sun Variations» («Variationen der Mitternachtssonne», das in den kaum mehr als zwei Jahren seit seiner Premiere nun bald die 20. Aufführung anpeilt - dies noch dazu vor dem Hintergrund, dass genau in diesem Zeitraum die Pandemiemaßnahmen viele Konzertsäle geschlossen hielten. Sowohl in der Farbigkeit ihrer Tonsprache als auch in der illustrativen Herangehensweise, die unmittelbar vor den Hintergrund der nordischen Gegebenheiten führt, hat Tarkiainen in organischer Selbstverständlichkeit die Stafette der Tradition ihres Landes übernommen: Auf zeitlose und doch zugleich heutige Weise führt sie fort, was während der vergangenen 120 Jahre Komponisten wie Sibelius, Uuno Klami, Einar Englund, Einojuhani Rautavaara und Kalevi Aho mit ihrem auf je individuelle Weise finnisch geprägten Schaffen vorgaben.

Outi Tarkiainen sagt über ihr vom BBC Philharmonic und dem National Arts Centre Orchestra Ottawa gemeinsam in Auftrag gegebenes Werk: «'Midnight Sun Variations' ist ein Orchesterwerk über das Licht der nördlichen Sommernacht. Am Himmel der Arktis über dem Polarkreis reflektieren sich in Sommernächten schier unendlich nuancierte Farbspektren, die, sobald der Herbst hereinbricht, allmählich von Schatten verhüllt werden, bis sie in Dunkelheit versinken und die Sonne nicht mehr über dem Horizont aufgeht. [...] Das Orchester erstrahlt und schwillt an, es zieht spielerisch seine Runde und kehrt wieder zum Anfang zurück. Einsam schwebende Bläsersoli verkünden, von Seufzern eines Horns beantwortet, den Frieden der Sommernacht. Aus den Streichern entsteht ein Neuanfang: ein mit rauer Urgewalt zuschlagender Akkord, der den Raum mit seiner Wärme erfüllt. Dies setzt einen Puls sich ständig neu vermengender Akkorde in Gang, der letztendlich das ganze Orchester erfasst, bis sich die Streicher lösen, in die Höhe steigen und die vielleicht wichtigste Botschaft vermitteln. Mein erstes Kind wurde in dieser Nacht geboren, als der letzte warme Tag des Sommers einer vom Herbstnebel eingehüllten Dämmerung Platz machte. 'Variationen der Mitternachtssonne' beschreibt auch den Vorgang des Gebärens: die Öffnung des weiblichen Körpers für ein neues Leben, die Trennung zweier ineinander verschachtelter Körper bei der Geburt und die Wiedervereinigung des eigenen Ichs mit dem Licht, das im Herbst verblasst.»

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Christian Heindl

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