Carl Maria von Weber

Ouvertüre zur Oper «Euryanthe»

Dauer

8 Min.

Entstehung

1823

Ausgerechnet Webers fortschrittlichste und musikalisch aufregendste Oper, «Euryanthe», führt bis heute aufgrund des verunglückten Librettos nur ein Schattendasein in der Opernwelt. Weber hätte den romantischen Dichter E. T. A. Hoffmann als Librettisten gewinnen können, auch Ludwig Tieck wäre noch als Retter des Sujets zur Verfügung gestanden – doch Weber beließ es letztlich bei dem Text, den er bei der in Dresdner Literaturkreisen anerkannten Dichterin Helmina von Chézy bestellt und von ihr erhalten hatte. Madame von Chézy folgte einer Vorlage aus dem 13. Jahrhundert, «L’histoire du très-nobles et chevalereux prince Gérard, comte de Nevers, et de la très-vertuese et très chaste princesse Euriant de Savoye», und verstand es nur schlecht, den literarischen Stoff in eine bühnenwirksame Version umzuwandeln. Sie verzettelte sich in poetischen Details und verlor darüber den Blick für das Wesentliche der Handlung. In letzter Not griff Weber noch selbst in das Textbuch ein. Entwirren konnte er es nicht mehr.

Und so muss sich Euryanthe durch drei verwickelte Akte mühen, bis sie endlich mit dem Mann, der ihre Treue schon im ersten Lied des ersten Aktes besang, glücklich vereint werden kann. Adolar ist sein Name. Lysiart bezweifelt aber die Treue Euryanthes. Er schlägt eine Wette vor: Wenn er Euryanthes Untreue beweisen könne, müsse ihm Adolar alle seine Besitztümer übereignen. Unglücklicherweise steckt Euryanthe der nicht gerade vertrauenswürdigen Eglantine ein Geheimnis: Adolars Schwester habe sich aus Liebeskummer mit einem vergifteten Ring selbst getötet und fände nun in ihrem Grab keine Ruhe. Eglantine stiehlt den Ring aus dem Grab von Adolars Schwester und verbündet sich mit Lysiart, dem es auf regulärem Wege nicht gelungen ist, Euryanthe untreu werden zu lassen. Lysiart erklärt vor versammelter Gesellschaft am Königshof, die Wette gegen Adolar gewonnen zu haben und erzählt die Geschichte vom vergifteten Ring, den er als Beweisstück auch präsentiert. Euryanthe gibt zu, Adolars Geheimnis verraten zu haben, und wird von diesem verflucht. Lysiart streift die Ländereien Adolars ein. Dieser will in einem Wald Euryanthe töten, wird aber von einer Schlange bedroht. Euryanthe rettet Adolar. Dieser will sie nun zwar nicht mehr töten, lässt sie aber allein in der Einöde des Waldes zurück. Der König, zur Jagd im Wald unterwegs, liest Euryanthe auf und geleitet sie zurück ins Schloss, wo er Lysiarts Verrat aufklären will. Lysiart ist gerade im Begriffe, Eglantine zu heiraten, da diese aber dem Wahnsinn verfallen ist, tötet er sie statt dessen. Sie hat gestanden, den Ring aus dem Grab von Adolars Schwester gestohlen zu haben. Lysiart wird als Eglantines Mörder zum Tode verurteilt. Adolar darf die treue Euryanthe in die Arme schließen. Seine Schwester im Grabe findet Ruhe.Weber schrieb «Euryanthe» als seine erste durchkomponierte Oper, womit er Richard Wagner einen Weg in die Zukunft der Gattung Oper wies. Auch in der Harmonik wagte Weber Neues, wo später Wagner ansetzte. Weber, dem es musikalisch gelang, Charaktere aus dem schwachen Libretto herauszuarbeiten, schuf mit dem Paar Eglantine–Lysiart auch eine Art Vorgänger-Duo für Wagners dunkles Paar Ortrud–Telramund im  «Lohengrin».

Die Uraufführung der «Euryanthe» fand 1823 in Wien im Theater am Kärntnertor statt, Erfolg hatte sie ein Jahr später in Dresden, wo ein exzellentes Sängerensemble zur Verfügung stand, das von der gefeierten Wilhelmine Schröder-Devrient in der Titelpartie angeführt wurde. An Bühnenaufführungen gab es bis heute nicht viele, aber die Musik vermag stets zu verzaubern und in Staunen zu versetzen. In der Ouvertüre erfolgt nach dem überwältigenden stürmischen Auftakt ein Umschwung in eine schwelgerische lyrische Welt. Eine besondere, mystische Stimmung erzielt Weber in einem kurzen Largo-Abschnitt, in dem ausschließlich Streicher im Pianissimo in ein harmonisches Zauberreich entführen – eine gänzlich schwerelose Musik. Danach wird es wieder begrifflicher. Mit kontrapunktischer Verarbeitung eines Fugatos steuert Weber dem triumphalen Ausklang zu, in dem er das schwelgerische Seitenthema zum Hymnus erhebt.

© NÖ Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Rainer Lepuschitz

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