Giacomo Puccini

Preludio sinfonico

Dauer

11 Min.

Entstehung

1882

Jugendwerke entsprechen nicht immer dem Klischeebild des Überschäumenden, des jugendlichen Temperaments. Sehr verhalten und intim können sie klingen, wie etwa das «Preludio sinfonico» des 24-jährigen Giacomo Puccini, der es während seiner Kompositionsstudien 1882 in Mailand schreibt. Puccini, den Verdis «Aida» dazu inspiriert hat, selbst Opernkomponist zu werden, studiert hier bei Amilcare Ponchielli, dem Komponisten der «Gioconda», und bei Antonio Bazzini; in Briefen schildert der Student seinen geruhsamen, durchaus auch den Freuden des Lebens zugewandten Alltag. Nicht nur seine konkreten Studien beschäftigen ihn, sondern er nimmt auch lebhaft Anteil an allen aktuellen kompositorischen Entwicklungen, etwa am Schaffen Arrigo Boitos, dessen Oper «Mefistofele» zu dieser Zeit die Gemüter erregt. Spezifischer Anlass der Entstehung des «Preludio » ist eine Jahresabschlussprüfung, bei der der begabte Kompositionsstudent sein Können zu zeigen hat; im Rahmen des Semesterabschlusskonzertes am 15. Juli 1882 wird das Werk uraufgeführt. Erst zu Beginn der 1980er-Jahre konnten Keith J. Rooke und Alfred Clayton das für verschollen gehaltene Werk identifizieren und zu einem Ganzen zusammenfügen. Als Basis für aktuelle Auseinandersetzungen gilt die im Jahr 2013 veröffentlichte kritische Ausgabe, die der Zemlinsky-Forscher Antony Beaumont erstellte – eine Thematik rund um Abweichungen, die für das Publikum wohl weniger entscheidend ist als das unmittelbare Eintauchen in die märchenhafte Klangwelt, die gleichzeitig ein Zeugnis des musikalischen Jugendstils auf einem seiner frühen Höhepunkte darstellt.

Wer nach kompositorischen Vorbildern des lyrischen, auf einem einzigen Thema basierenden «Preludio» sucht, wird sie weniger bei Giuseppe Verdi, dem dominierenden Meister der italienischen Oper, finden als bei Richard Wagner, um dessen Werk sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Italien eine stets wachsende Anhängerschaft schart. Für Wagner empfindet Puccini schwärmerische Bewunderung, und sie begleitet ihn durch sein Leben, so wenig man dies beim Komponisten der «Boheme» oder der «Tosca» auch vermuten würde; Freunden spielt er mit Vorliebe aus «Tristan» und «Parsifal» vor und bekennt resigniert, nach solcher Musik fühle er sich allenfalls als ein «Mandolinenklimperer». In einem Notizheft Puccinis aus dem Studienjahr 1882/83 findet sich eine ironische Selbstcharakterisierung des Studenten; er sei nicht nur «äußerst klug», sondern besitze auch den «Atem einer Kraft», die gleichsam ein Widerhall «des Wagnerischen von jenseits der Alpen» sei.

Direkte Anklänge an Wagner weiß er später freilich zu vermeiden, und das «Preludio» bleibt eines der wenigen kompositorischen Zeugnisse der Orientierung Puccinis am deutschen Vorbild, wenngleich seine Melodik bereits die für ihn charakteristischen Züge zeigt. An Wagners Vorspiel zu «Lohengrin» mag man denken, wenn Puccini seine Komposition im Piano und in hoher Lage beginnen lässt, gefolgt von einer zarten, auf Atmosphäre und Klangfarbe abgestellten Entfaltung der Thematik, die erst im Verlauf der Entwicklung zu kräftigeren Akzenten findet, schließlich aber zu den sanften Konturen des Beginns zurückführt und leise ausklingt.

Auch der jugendliche Komponist muss sich bereits der Presse und der öffentlichen Kritik stellen. Dem Rezensenten der Zeitung «La Lombardia» erscheint das «Preludio» unausgeglichen und unruhig, zu sehr an Puccinis Lehrer Ponchielli orientiert – und dennoch müsse man dem Komponisten eine «überaus künstlerische Natur» zubilligen. Diesem Resümee schließt sich auch die Jury des Konservatoriums an: Sie spricht Puccini den Ehrenpreis zu.

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Thomas Leibnitz

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