Joseph Haydn

Symphonie C-Dur Hob. I:90

Sätze

  • Adagio - Allegro assai

  • Andante

  • Menuet - Trio

  • Finale. Allegro assai

Dauer

24 Min.

Fürst Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein unterhielt in seinem kleinen, zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb gelegenen Fürstentum im Nördlinger Ries eine hochwertige Hofkapelle, der einige der besten Musiker Europas - etwa der Violoncellist Joseph Reicha und der Kontrabassist und Komponist Franz Anton Rosetti aus Böhmen - angehörten. Joseph Haydn machte auf seiner ersten Reise nach London im Dezember 1790 Zwischenstation auf Wallerstein und war von der Qualität der Hofkapelle begeistert. Laut der Überlieferung von damals in Wallerstein anwesenden Musikern soll Haydn anlässlich seines Besuches gesagt haben, dass kein anderes ihm bekanntes Orchester seine «Sinfonien mit so viel Präcision» ausführe und «prima vista» (also vom Blatt) besser spielte, als seine eigene Kapelle in Esterháza nach mehreren Proben. Der überaus kunstsinnige Fürst Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein seinerseits sparte auch nicht mit Lob, wenn es um die kompositorische Kunst Haydns ging. 1788 übermittelte er seinem Wiener Agenten die Bestellung von drei neuen Symphonien bei dem österreichischen Komponisten, «da bekanntlich Jos. Haydn der größte Synfonist ist und ich für seine Musik ganz eingenommen bin». Dem war seit der Jugend des Fürsten so. Er erhielt an der Herzöglichen Savoy'schen Ritterakademie in Wien seine Ausbildung und nahm aus der Kaiserstadt offensichtlich auch seine Begeisterung für die dort in Konzerten erlebte Musik mit.

Es dauerte fast zwei Jahre, bis Haydn die Bestellung des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein erfüllte. Im Oktober 1789 schrieb der Komponist an den Agenten des Fürsten: «Endlich übermache Euer Wohl gebohrn die 3 Sinfonien für Se. Hochfürstl. Durchl. dem gnädigsten Fürsten Oeting v. Wallerstein.» Dabei handelte es sich um die im heutigen Konzert erklingende Symphonie C-Dur Hob. I:90 und die beiden folgenden Symphonien Es-Dur Hob. I:91 und G-Dur Hob. I:92.

Für die flache Ries-Landschaft, in der das Fürstentum Oettingen-Wallerstein lag, wurde 1960 der Einschlag eines Meteoriten vor ca. 14,6 Millionen Jahren nachgewiesen. Vor mehr als 200 Jahren schlugen Haydns Symphonien in den Musikmetropolen und Fürstenhäusern Europas wie Meteoriten ein. Verleger und Konzertveranstalter rissen sich um die Werke des Esterházy'schen Hofkomponisten. Etwa zeitgleich mit dem Auftrag des Fürsten zu Oettingen- Wallerstein ging etwa vom Comte d'Ogny aus Paris eine Bestellung von drei weiteren Symphonien ein, nachdem Haydn im Auftrag der «Loge Olympique» bereits sechs Symphonien komponiert und damit die Franzosen im Sturm erobert hatte. Comte d'Ogny erhielt dann dieselben Symphonien Hob.I:90 bis 92 von Haydn, obwohl Fürst Oettingen-Wallerstein diese zunächst exklusiv für seine Hofkapelle haben wollte. Damit nicht genug: Haydn schickte die Autographe nach Paris, während auf Schloss Wallerstein nur Kopien der einzelnen Instrumentenstimmen eintrafen. Als der Fürst die Partituren reklamierte, schrieb Haydn an dessen Agenten von Problemen mit seinen Augen während der Komposition der Symphonien und wollte damit offenbar andeuten, dass seine Autographe nur sehr schlecht lesbar seien. Der Fürst ließ die Ausrede gelten und bedankte sich bei Haydn mit der Zusendung einer goldenen Tabaksdose, die 50 Dukaten enthielt.

Einem C-Dur-Akkord des gesamten Orchesters folgen in der langsamen Einleitung zur Symphonie Hob. I:90 Tonsplitter, zunächst «piano», dann «forte». Die dann auftretende Figur, die aus sechs gleich bleibenden Tönen in Achtelnoten und drei stufenweise absteigenden Tönen besteht, stellt sich im folgenden Allegro-Teil als Hauptmotiv des gesamten ersten Satzes he-raus. Gehen aus dieser Figur in der Einleitung noch Seufzer in den Violinen hervor, bewegt sie sich im Allegro mit fröhlicher Energie. Haydn hat der Figur ein Lächeln auf ihr Antlitz gezaubert, mit dem sie auch manche etwas ernstere Passagen im Mittelteil gut übersteht. Freudige Stimmung verbreitet auch das von Flöte und Oboe nacheinander solistisch vorgetragene Seitenthema.

Die ersten vier Töne des folgenden Andantes legen die Vermutung nahe, dass diese Haydn-Symphonie Bestandteil des Repertoires jener Wiener Schul- und Liebhaberorchester war, in denen der junge Franz Schubert als Bratschist mitwirkte und für sie auch selber Werke komponierte. Schubert schien vielleicht der Anfang des langsamen Satzes aus Haydns Symphonie Nr. 90 in den Ohren zu klingen, denn die Wendung der ersten vier Töne im Andante seiner Symphonie Nr. 5 ist ident damit (wenn auch bei Schubert im 3 /4-Takt statt im 2/4-Takt). Haydn baut in diesem Andante eine so genannte Doppelvariation auf, das heißt, er wechselt die Variationen von Themen in F-Dur und f-moll ab. Auch hier schwankt das Wesen der Symphonie also zwischen Lächeln und Seufzen. Jeweils eine Variation teilt Haydn der Flöte und der Violoncellostimme zu, woraus vorübergehend aus der Symphonie beinahe ein Konzert wird.

Das Menuet macht Haydn zu einer repräsentativen Feier. In dieser grandiosen Erscheinung ist der höfische Tanz zu einer eigenständigen symphonischen Form geworden. Im Trio hat die Oboe einen munteren solistischen Auftritt.
Im Finale sind alle Instrumente nicht mehr zu bremsen. Sie sausen mit einem schwungvollen Thema dahin, zwischendurch noch zusätzlich angetrieben von einem Fanfaren-Rhythmus. Aber sogar in dieser symphonischen Jagd vermag Haydn noch satztechnische Kunststücke wie ein kontrapunktisches Thema zum Hauptthema einzubauen. Wirkungsvoll lässt er dann den Satz in einer zweifachen Fanfare des ganzen Orchesters kulminieren. Doch Halt! Noch nicht klatschen!
Wieder einmal narrt Haydn seine Hörerschaft. Nach viereinhalb Takten Generalpause setzen die Streicher und das 1. Fagott in einer völlig entlegenen Tonart wieder ein, die Oboe bläst etwas erstaunt zwei Mal das Fanfarenmotiv, die anderen Instrumente folgen nur zögerlich. Doch dann vereinigen sie sich doch noch alle zu einem wirkungsvollen Ausklang. Jetzt ist wirklich Schluss. Bitte klatschen!

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.| Rainer Lepuschitz

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