Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»

Sätze

  • Allegro con brio

  • Marcia funebre. Adagio assai

  • Scherzo. Allegro vivace - Trio

  • Finale. Allegro molto

Dauer

50 Min.

Entstehung

1802/03

Ludwig van Beethovens «Eroica» wird bis heute mit einer Anekdote in Verbindung gebracht: Als der Komponist davon erfuhr, dass sich Napoleon zum Kaiser krönte, zerriss er wütend die Titelseite der Partitur der Symphonie Es-Dur, auf der eine Zueignung des Werkes an «Bonaparte» stand. So schilderte es der Beethoven-Schüler Ferdinand Ries in einer Publikation, die 1838, also mehr als drei Jahrzehnte nach dem vermeintlichen Vorfall, erschien.

Tatsächlich stand ursprünglich auf einer Kopistenabschrift der im Autograph verschollenen Partitur: «Sinfonia grande/ intitolata Bonaparte». Außerdem findet sich noch ein handschriftlicher Vermerk Beethovens auf dieser Abschrift: «Geschrieben auf Bonaparte.» In einem Brief an den Verlag Breitkopf & Härtel im August 1804 vermerkte Beethoven: «Die Symphonie ist eigentlich betitelt Bonaparte.» In keinem der drei schriftlichen Zeugnisse ist von einer Widmung die Rede.

Der Rheinländer Beethoven bekam 1789 als 19jähriger ganz nahe an der französischen Grenze die Revolution im Nachbarland mit. In einem Alter, in dem das politische Bewusstsein geprägt wird, erlebte Beethoven den Befreiungskampf des Bürgertums. Einige Jahre später, als Napoleon auf den Plan trat, war Beethoven bereits in Wien. Ein eindeutiges Bekenntnis von ihm zu Napoleon findet man aus jener Zeit nicht, es wäre in der Habsburger-Monarchie wohl auch nicht unbedingt klug gewesen. Hingegen war Beethoven Mitglied des «Corps der Freiwilligen», das 1897 zur Verteidigung Wiens aufgestellt wurde, als Napoleons Truppen bereits in die Steiermark vorgedrungen und nur mehr wenige Fußmärsche von der Hauptstadt entfernt waren. Damals komponierte Beethoven ein «Kriegslied der Österreicher». 1801 wirkte er dann in einem Benefizkonzert zum «Vorteil der verwundeten Soldaten der k. k. Armee», also der österreichischen Truppen, mit. Zwei Jahre später, als England Frankreich den Krieg erklärte, komponierte Beethoven Klaviervariationen über «God save the King» und über das Nationallied «Rule Britannia».

Wenige Monate später hieß es aber dann in einem Brief von Ries an den Verleger Simrock, in dem er die Symphonie als das «bisher größte Werk, welches Beethoven schrieb», anpries: «Er [Beethoven] hat viel Lust, selbe [die Symphonie] Bonaparte zu dedizieren, wenn nicht, weil Lobkowitz sie auf ein halb Jahr haben und 400 Gulden geben will, so wird sie Bonaparte genannt.» Da ist eindeutig von einer Widmung die Rede. Allerdings mit dem Vorbehalt, dass Beethoven das Werk eigentlich dem österreichischen Fürsten Franz Joseph von Lobkowitz zueignen wolle, da dieser etwas für das Werk bezahlen würde. Kurz gesagt: Die Aussicht auf ein ansehnliches Honorar wog mehr als eine politisch bekennende Widmung.

Schließlich gibt vor allem die Symphonie selbst, also die Musik, Auskunft über ihre Intention. Heldenmusiken waren zur Zeit der Entstehung der «Eroica» en vogue. So komponierte etwa Beethoven in seiner 1802 entstandenen Klaviersonate op. 26 als langsamen Satz eine «Marcia funebre sull a morte d’un Eroe». War das Heldengedenken schon hier allgemein gehalten, so stand dann letztlich auch über der Symphonie Nr. 3 folgender Titel: «Sinfonia Eroica, composta per festeggiare il sovvenire di un grand’ Uomo». Eine Zeit lang war für Beethoven vielleicht Napoleon als Konsul im revolutionären Frankreich dieser «Grand’ Uomo», aber er verehrte zu bestimmten Zeiten auch andere Feldherrn, wie wir aus zeitgenössischen Quellen wissen, und zwar Gegner Napoleons: Lord Nelson und den 1801 in der Schlacht von Alexandria im Kampf gegen die Franzosen gefallenen General Abercrombie. Angeblich hat sogar dessen Tod Beethoven zur Komposition des Trauermarsches der 3. Symphonie inspiriert. Wenn also einmal geplant war, die Symphonie «Bonaparte» zu betiteln, so hätte dies ja auch bedeuten können, dass mit dem Werk Bezug genommen wird auf die Ereignisse, die sich in Zusammenhang mit Bonaparte zutrugen. Also eine Symphonie für die «Helden» aller Nationen, nicht nur einer Seite.Ja, der «heroische» Charakter des Werkes kann durchaus auch einer allgemeinen philosophischen Betrachtung gleichkommen, wenn man die Verwendung eines Themas aus Beethovens Ballettmusik zu «Die Geschöpfe des Prometheus» im Finale der «Eroica» in Betracht zieht – eine Beziehung zum Mythos des Helden Prometheus wird also musikalisch hergestellt. Die Würdigung des Heldentums ging bei Beethoven später in einen engagierten Humanismus über, von der 5. Symphonie bis zur Ode «Alle Menschen werden Brüder» in der 9. Symphonie. Die ursprünglichen Ziele der Französischen Revolution wurden zu allgemein gültigen Idealen von aufgeklärten Menschen – Beethoven zitierte in mehreren späteren Werken französische Revolutionsmusiken, die für ihn zu Klangsymbolen des Freiheitsbewusstseins geworden waren.

Mit der Symphonie Nr. 3 stieß Beethoven, wenn man so will, heldenhaft das Tor in die musikalische Zukunft weit auf. Kein Instrumentalwerk bis dahin hatte solche Dimensionen, was die Länge, die Dynamik und den formalen Aufbau anbetrifft.Das «Heroischste» an der Symphonie ist der 2. Satz, die «Marcia funebre». Noch nie war ein Trauermarsch explizit in eine Symphonie aufgenommen worden. Bedenkt man, dass die erste Entstehungsphase der Symphonie in die Zeit von Beethovens «Heiligenstädter Testament» fiel, so trägt diese Musik durchaus auch persönliche Züge. Durch die zunehmende Ertaubung spürte Beethoven, der bis dahin hauptsächlich von seinen Einkünften als Klaviervirtuose lebte, eine starke existentielle Bedrohung. Er rang mit dieser Musik um sein Leben als Komponist.

Beethoven weitet den üblichen Trauermarsch-Duktus in diesem 2. Satz zu gigantischen symphonischen Dimensionen aus. Auf den c-moll-Trauerzug folgt ein nach Dur aufgehellter Trioteil mit einem von der Oboe angestimmten, tröstlichen Holzbläsergesang, der sich zu triumphalen Kundgebungen des ganzen Orchesters steigert. Aus dem wiederkehrenden Trauermarsch erheben sich die Hörner mit einem edlen Motiv. Dann passiert etwas Erschütterndes: Auf eine einsame Passage der ersten Violinen mit dem Trauermarschthema bricht plötzlich in voller Wucht das ganze Orchester aus. Drohende Fanfaren verheißen nichts Gutes, in der folgenden Reprise geht der Marsch in verzweifelte Dissonanzen über. Danach zerfällt der Trauermarsch langsam und leise.

Der Beginn der Symphonie mit seinen zwei Es-Dur-Schlägen verkündet Großes. Es spricht aber für Beethoven, dem vordergründiges Pathos fremd war, dass das Hauptthema im 1. Satz der «Eroica» so gar nicht heroisch ist, sondern ein einfaches pastorales Motiv im tänzerischen Dreivierteltakt – eindeutig ist das Thema mit dem Ouverturen-Auftakt zu Mozarts Schäferspiel «Bastien und Bastienne» ident. Allerdings versetzt Beethoven dieses Thema im Verlaufe des Satzes in totale Hochspannung. Der anfangs beschwingte Dreivierteltakt entpuppt sich in diversen Durchführungsteilen als Konfliktpotential, wenn plötzlich der zweite Taktteil durch Sforzati betont wird und zu unheimlichen Steigerungen führt.Im Übrigen: so lange wie in der «Eroica» war noch in keinem symphonischen Kopfsatz davor die Durchführung. Die Auseinandersetzung mit dem thematischen Material gewinnt enorm an Gewicht, ja Beethoven bringt in der Durchführung sogar noch ein neues Thema ein und weitet danach die Koda zu einer zweiten Durchführung aus, in der über nunmehr heiter-verspielten Begleitfloskeln das Hauptthema zur Apotheose, aber zu keinem Abschluss geführt wird. Denn das Thema hat keine eindeutige Schlusswendung, also lässt es Beethoven am Ende auch offen und unaufgelöst stehen. Erst zwei Es-Dur-Schläge beenden den Satz so, wie sie ihn begonnen haben.

Diese Offenheit des Harmonischen und Thematischen fällt auch im 3. Satz, dem Scherzo, auf. Nicht weniger als 92 Takte lang lässt Beethoven das aus motorischen Motivteilen bestehende Themenfeld harmonisch im Unklaren, dadurch baut sich eine faszinierende Spannung aus Ungewissheit auf. Dann aber bricht der Satz in strahlendem Es-Dur los. In diesem Satz im Dreivierteltakt fällt neuerlich mehrmals die Betonung des zweiten Taktteils auf. Beethoven bürstet den Rhythmus also auch hier gegen den Strich. Davon lassen sich freilich die Hörner, wenn sie im Trio zur Jagd blasen, nicht beirren.

Das Finale setzt mit großer Geste ein. Was folgt, ist eine zuhöchst komplexe Mischung aus Variationsform, Rondo, Sonatensatzelementen und – wohl in Anknüpfung an Mozarts «Jupiter»-Finale – Fugenabschnitten. Nur: Man hört der Musik diese Komplexität nie an. Vielmehr schafft Beethoven aus dem in großen Intervallen springenden Ostinatomotiv und dem «Prometheus»-Thema eine zwingende Abfolge von verschiedenen Sichtweisen auf die thematischen Gegenstände. Wie schon im 1. Satz dominiert wieder ein tänzerischer Grundzug, hier durch das Ballettthema des «Prometheus», eines Kontretanzes, der im Mittelteil des Satzes auch noch mit einem forschen Tanzthema des ungarischen Vérbunkos verschmolzen wird.

Mit einem Mal bricht dann die vorwärtsdrängende Musik ab, um einer zärtlich-expressiven Entfaltung des «Prometheus»-Themas durch die Oboe Platz zu machen. Es klingt, wie eine Besinnung auf stille Helden. Daraus entwickelt sich eine feierliche, getragene Steigerung, in der die Hörner das Thema glanzvoll über das Orchester stellen, in der aber auch noch einmal von Ferne die dissonante Welt des Trauermarsches anklingt. Doch dann fegt ein wirbelndes Schluss-Presto alle Bedrohung und Zweifel, aber auch alle Feierlichkeit weg. Der Held ist am Ende ausgelassen.

© NÖ Tonkünstler Betriebsges.m.b.H. | Rainer Lepuschitz

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