Lotta Wennäkoski

«Verdigris» (inspired by Sibelius)

Dauer

11 Min.

Eine musikalische Umsetzung von Grünspan? – Lotta Wennäkoski fordert die Neugier schon mit dem Titel «Verdigris» heraus. Was vor allem chemisch bewanderten Musikhörerinnen und Musikhörern ein Begriff sein dürfte, bedarf vielleicht einer kurzen Aufklärung:

«Verdigris» ist der Name für verschiedene Kupfer-Acetate, die man vor allem als Kupfer(II)-Acetat oder umgangssprachlich eben als Grünspan kennt. Es geht also um jene grünen bis grünlich-blauen Kupfersalze, die man als Farbstoffe bzw. Ablagerungen auf Metallen, insbesondere als Edelrost, kennt. Diese Ablagerungen vergleicht die Komponistin mit Schichten, die bereits Vorhandenes überlagern, und so sieht sie ihre Musik in «Verdigris» als Schichten, die der vorhandenen Musikgeschichte nun hinzugefügt werden.

Im Konkreten gilt dieser Teil der Geschichte dem musikalischen Geist von Wennäkoskis Landsmann Jean Sibelius. Den Ausgangspunkt bildete ein Auftrag des Scottish Chamber Orchestra, dessen Ergebnis 2015 anlässlich des 150. Geburtstages von Sibelius Bezug auf den finnischen Nationalkomponisten nehmen sollte. Die Herausforderung für die Komponistin bestand nun darin, dem Geist des nordischen Titanen gerecht zu werden und doch zugleich ihrer eigenen musikalischen Ausdrucksweise treu zu bleiben; eine Aufgabe, die sie als alles andere als leicht betrachtete. Nachdem ihr bewusst wurde, dass die Symphonien sie in keine passende Richtung führen würden, erinnerte sie sich bald der 1892 entstandenen, bis heute ungebrochen modern anmutenden Tondichtung «En Saga» (Eine Sage). So konnte sie vor allem die konzentrierte Energie dieses Stücks als auch gewisse musikalische Gesten sehr gut mit ihren eigenen Ideen in Einklang bringen, etwa die Arpeggien der Streicher und den – auch aus der Popmusik geläufigen – Backbeat-Rhythmus.– «Also, warum nicht eine Fortsetzung der Märchengeschichte!» (Wennäkoski).

Wurde Sibelius’ Stück seinerzeit noch als «zu kapriziös» kritisiert, so will Wennäkoski mit ihrer Fortschreibung so kapriziös wie möglich erscheinen. Mit dem Titel verweist die Komponistin darauf, dass ihre Musik eine Überlagerung von Elementen darstellt, die Sibelius ihr hinterlassen hat, wobei sie in keinem Moment ihre eigene Sprache hintanstellt. Selbst ihre teils impressionistisch anmutenden Klangfarben zeigen zwar Parallelen zur auch für Sibelius Einflüsse liefernden französischen Musik, wirken aber letztlich wie eine neue – heutige – Patina, die über Vertrautes aus vergangener Zeit gelagert wird. Ganz kurz, fast wie ein Schatten, blitzt gegen Ende des knapp elfminütigen Stücks das prägnante Hauptmotiv aus «En Saga» auf, wird ebenso kurz Sibelius’ «Andante festivo» zitiert – ein im musikalischen Finnland populäres Stück, das auch beim Begräbnis des Komponisten erklang.

Bleibt als Anregung zum Hören von «Verdigris» dieselbe, die Sibelius einst für sein Werk gab: «Sagas Musik gibt Stimmungen wieder und – warum nicht – verschiedene Phasen in einer Sage, zu welchen jeder Zuhörer einen ‹Inhalt› dichten kann.»

© Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H. | Christian Heindl

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